
Interessantes Experiment: Effekte einer Stimm-Maskierung des Geschlechts in Einstellungsinterviews
Heute stellen wir ein (schlaues) Fundstück aus dem Internet vor. Das Unternehmen interviewing.io bietet eine Web-Plattform für Bewerbungsinterviews mit einer technischen Zielgruppe, also zum Beispiel für Softwareentwickler. Das Setting ist so, dass der Interviewer über sein Gegenüber keine (potenziell fehlleitenden) Vorabinformationen erhält. Also kein Foto, keinen Lebenslauf, kein Bewerbungsschreiben. Das Interview selbst wird ohne Video-übertragung geführt. Interviewer und Bewerber haben lediglich eine Audioverbindung miteinander, also wie am Telefon.
Die Technik macht es möglich: Für das Experiment wurden in einem Teil der Interviews elektronisch und in Echtzeit die Stimmen der Bewerber so verfremdet, dass Männer sich wie Frauen und Frauen wie Männer anhörten.
Wie wirkte sich dies auf die (Leistungs-)Einschätzung der Bewerber durch die Interviewer aus?
Das Experiment und die Motivation dahinter
Die Interviews sind so aufgebaut, dass technische, fachliche Themen besprochen werden. Am Ende eines Interviews werden dann die fachlichen Fähigkeiten, Problemlösefähigkeiten und kommunikative Fähigkeiten auf einer 4-stufigen Skala bewertet. Außerdem muss sich der Interviewer entscheiden, ob er den Bewerber für eine nächste Runde im Bewerbungsprozess vorschlagen würde.
Die Motivation, die Stimm-Maskierung des Geschlechts in die Software einzubauen folgte nicht ausschließlich einem wissenschaftlichen Erkenntnisinteresse. Vielmehr beobachtete interviewing.io schon länger, dass Männer in den Interviews besser abschnitten als Frauen. Männer wurden zum Beispiel 1,4x häufiger für die nächste Runde vorgeschlagen.
Steht dahinter, dass Frauen vielleicht trotzt objektiv gleicher Leistung im Interview schlechter bewertet werden? Nur weil sie eine Frau sind? So kam es zu der Idee, das Geschlecht zu maskieren, so dass die Interviewer dahingehend getäuscht werden. Sehr cool!
Die Ergebnisse (sind überraschend)
Das Wichtigste gleich vorweg: Das Maskieren der Geschlechter durch die Stimmverfremdung hatte keinen Effekt. Im Gegenteil:
- Männer, deren Stimmen so verändert wurden, dass sie weiblich klangen, schnitten sogar etwas besser ab als Männer mit un-verfremdeten Stimmen.
- Frauen, die wie Männer klangen, schnitten schlechter ab als un-verfremdete Frauen.
Warum haben Frauen eine schlechtere Interviewperformance als Männer?
Die Autorin, Aline Lerner, hebt hervor, dass sie in ihren Daten keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern hinsichtlich Berufserfahrung oder fachlichem Background finden konnte.
Allerdings „schockierte“ sie eine Beobachtung: Nach einem nicht so gut gelaufenen Interview verließen Frauen 7x häufiger die Interview-Plattform und gaben somit auf. Dabei wurden die Bewerber, die einen Job zwischenzeitlich gefunden hatten, nicht berücksichtigt.
Interessant.
Foto: Iwan Gabovitch (CC-BY-2.0)
Quelle: interviewing.io Blog