Giftige Mitarbeiter | Toxic Workers
Alle Unternehmen bemühen sich um die besten Mitarbeiter, die raren Superstars. und natürlich sind diese „High Potentials“ wichtig für den Erfolg. Aber macht es vielleicht mehr Sinn, auf das andere Ende der Skala zu schauen? Ist vielleicht sogar der eine oder andere vermeintliche High-Performer in Wirklichkeit ein „Stachel im Fleisch des Unternehmens“?
Michael Housman und Dylan Minor haben sich im Rahmen einer Big-Data-Studie mit diesen Fragen beschäftigt und formulieren ein recht interessantes Fazit: Der Schaden, den ein “toxischer Mitarbeiter” verursacht, ist größer als der Nutzen, den ein herausragend guter Mitarbeiter erbringen kann. Das Verhältnis beziffern die Autoren mit 2:1.
Nehmen wir diese Forschung ernst, dann müssen wir auch hinterfragen, ob die üblichen Strategien des Talentmanagements die richtigen sind. Schauen wir also mal etwas genauer auf die dunkle Seite…
Was ist ein toxischer Mitarbeiter?
Die meisten Leser werden aus eigenem Erleben eine Vorstellung davon haben, was ein toxischer Mitarbeiter ist. Diese Menschen “vergiften” im wahrsten Sinne des Wortes ihr Umfeld mit dem was sie sagen und tun. Dabei gehen sie oft subtil und hochgradig manipulativ vor – allerdings im eigenen Interesse.
Toxische Mitarbeiter liefern sich häufig sinnlose Gefechte mit großem Drama und Tamtam. Sie verhindern damit die produktive Arbeit aller und agieren auch auf der persönlichen Ebene häufig verletzend. Sie sind im Wesentlichen motiviert durch den persönlichen Vorteil (Macht, Geld, Status) und schrecken nicht davor zurück, unethische oder gar illegale Handlungen vorzunehmen. Sie sind Meister der Intrige. Toxische Mitarbeiter definieren Beziehungen zu Kollegen nicht über deren Funktion oder Position, sondern unterscheiden zwischen Kollegen, die sie mögen und welchen, die sie nicht mögen.
Das Umfeld dieser Menschen läuft Gefahr zu einer „toxischen Arbeitsumgebung“ zu werden, die gleichermaßen ineffektiv ist als auch zerstörerisch (im Sinne von Zufriedenheit, Engagement, Gesundheit etc.) auf die dort arbeitenden Angestellten wirkt.
Die Beschreibung erinnert an das psychische Störungsbild der Psychopathie, die bei den Betroffenen mit dem weitgehenden Fehlen von Empathie einhergeht. Psychopathen sind auf den ersten Blick durchaus charmant und gehen oberflächlich betrachtet auch Beziehungen ein, dabei sind sie aber ausgesprochen manipulativ und egoistisch. Psychopathie geht mit antisozialen Verhaltensweisen einher, so dass oft die Diagnose einer dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung gestellt werden kann. Allerdings bezeichnet die Psychopathie eine schwere Persönlichkeitsstörung, die nach unserer Arbeitsdefinition eines „toxischen Mitarbeiters“ keinesfalls vorliegen muss.
Woran erkennt man “giftige Mitarbeiter”?
Als Führungskraft stellt sich natürlich die Frage, wie man solche toxischen Mitarbeiter erkennen kann, denn diese werden Gegenmaßnahmen ergreifen, damit ihr Tun möglichst unentdeckt bleibt. Am besten wäre es natürlich, man würde diese Mitarbeiter schon im Rahmen der Einstellung erkennen und ihnen gar nicht erst eine Stelle im Unternehmen anbieten.
In ihren Untersuchungen konnten Housman und Minor zeigen, dass „Toxic Workers“ durch bestimmte Eigenschaften auffallen:
- Es sind Mitarbeiter, die dem Unternehmen schaden.
- Sie sind besonders produktiv. Aber auch egoistisch.
- Sie sind übertrieben selbstbewusst, was nicht selten zu Selbstüberschätzung und zu gefährlichen Kompetenzüberschreitungen führen kann.
- Sie tendierten zu der Aussage, dass Regeln niemals gebrochen werden sollten.
Nach unserem Kenntnisstand existiert jedoch kein geeigneter Test, um diese problematischen Mitarbeiter im Vorfeld zuverlässig zu erkennen. Es gilt also bereits im Einstellungsinterview genau hinzuhören und geeignete Fragen zu stellen. Aber wer kann schon mit Sicherheit in die Zukunft sehen? Viel wichtiger erscheint uns daher der richtige Umgang mit diesen Mitarbeitern, wenn sie denn dann ihr destruktives Verhalten im Unternehmen zeigen.
Wie sollte man mit diesen destruktiven Mitarbeitern umgehen?
Zunächst einmal sehen wir die Führungskraft in der Pflicht und hier liegt häufig das Problem, denn eine hohe Konfliktbereitschaft und ausgeprägte Führungskompetenzen sind nicht unbedingt die ausgewiesene Stärke jedes Chefs.
- Unser erster Tipp ist zu handeln, solange es noch geht. Die Probezeit ist dafür vorgesehen, dass Mitarbeiter und Unternehmen sich kennenlernen und abtasten können, ob alles passt. Natürlich hat niemand Lust und Interesse, nach Ablauf der Probezeit wieder neu in die Suche einzusteigen, Bewerbungsgespräche zu führen und die Einarbeitung nochmal von vorne zu beginnen. Insbesondere dann nicht, wenn man sich nicht 100%ig sicher ist. Erste Anzeichen könnten ja vielleicht ein „Ausrutscher“ sein. Vielleicht ändert sich der neue Kollege ja mit der Zeit zum Positiven – zumal er ja fachlich einen 1a Job macht… Ihr Optimismus in allen Ehren, aber verpassen Sie nicht den richtigen Moment, die Reißleine zu ziehen.
- Weil diese Entscheidungen nicht einfach zu treffen sind, sollten Sie sich bei Bedarf unbedingt professionelle Hilfe an Board holen. Beraten Sie sich mit einem Coach oder mit Ihren Kollegen. Hören Sie genau zu, wenn Sie Hinweise aus Ihrem Team erhalten. Der Umgang mit Situationen wie diesen gehört zu den herausforderndsten, die die Tätigkeit als Führungskraft zu bieten hat.
- Betreiben Sie Diagnostik. Manchmal sind die Hinweise offensichtlich und nur schwer zu ignorieren. Oft bedarf es aber eines geeigneten diagnostischen Instruments, um den „giftigen Stachel“ zu entdecken. Aus unserer Sicht sind Assessment / Development Center völlig ungeeignet, um toxische Mitarbeiter zu identifizieren. Deutlich bessere Informationen liefern hingegen 360°-Feedback-Verfahren oder auch Mitarbeiterbefragungen. In konkreten Verdachtsfällen kann auch ein Teamentwicklungsworkshop Aufschluss zum Status Quo liefern.
Toxische Mitarbeiter sind nach unserer Auffassung nicht zwangsläufig für das Unternehmen verloren. Gerade diese Persönlichkeiten brauchen jedoch besondere Aufmerksamkeit und Führung, damit ihre elementaren Bedürfnisse erfüllt werden und nicht mit den Interessen der Gemeinschaft kollidieren. In vielen Fällen lassen sich diese Mitarbeiter in wertvolle Teammitglieder verwandeln. Erst, wenn dies nicht gelingt, sollten weitere Schritte ergriffen werden.
Paper von Michael Housman und Dylan Minor (2015): http://www.hbs.edu/faculty/Publication%20Files/16-057_d45c0b4f-fa19-49de-8f1b-4b12fe054fea.pdf
Foto von John Morgan