Networking Guide für Introvertierte
Ist Networking eine Schlüsselkompetenz für beruflichen Erfolg? In vielen Fällen ist das wohl so. Menschen, die ein breites und relevantes berufliches Netzwerk pflegen profitieren davon – und das auf unterschiedlichste Arten. Allerdings fällt es nicht jedem leicht, in neuen Gruppen ganz offen auf fremde Menschen zuzugehen und neue Kontakte zu knüpfen. In unser Coachingpraxis ist das immer mal wieder ein Thema und daher heute der Anlass für ein paar Empfehlungen.
Wenn Sie selbst jemand sind, von dem der folgende Satz stammen könnte, dann lesen Sie doch ruhig mal unseren Networking Guide. Vielleicht hilft er Ihnen, Netzwerkveranstaltungen gegenüber in Zukunft eine etwas positivere Einstellung zu entwickeln.
„Ich bin nicht so der ‚Lautsprecher‘ und muss nicht immer im Mittelpunkt stehen. Ich höre auch gerne mal zu. Ich brauche einen Anlass, um ein Gespräch zu beginnen.“
Wir haben schon viele Erklärungen gehört, warum die ruhige Art die noblere ist, oft verbunden mit einer subtilen Abwertung des extravertierteren Verhaltens. Zum Schutz des eigenen Selbstwertempfindens mag dies eine geeignete Strategie sein. Für die eigene Kariere ist dieses Denkmuster aber eher hinderlich. Dabei ist absolut nichts Falsches an einer etwas introvertierteren Art. Ganz im Gegenteil. Die eigene Persönlichkeit lässt sich auch sowieso nicht einfach ändern. Was sich aber relativ einfach ändern lässt, das sind Verhalten und Erleben in bestimmten Situationen, so zum Beispiel in Networking-Situationen.
Ausgemachte „Networking-Hasser“ haben häufig schon (mindestens eine) schlechte Erfahrung gemacht. Die große Angst, wenn man ohne offensichtlichen Grund auf fremde Menschen zugeht, ist die vor Zurückweisung. Wir sind alle groß darin, uns vorzustellen und in Farbe auszumalen, was Unangenehmes passieren könnte. Folglich vermeiden wir die Situation lieber ganz und gehen kein Risiko ein. Es passiert dann ja auch nichts Schlimmes. Allerdings werden wir auch nie erfahren, welche tolle Bekanntschaft wir nicht gemacht haben und wir werden diese tolle Bekanntschaft mit großer Sicherheit dann auch nicht wiedersehen. Eine verpasste Chance, von der wir nichts wissen, die führt natürlich nicht zum Umdenken.
Ein anderer Blick auf die Situation ist ein neuropsychologischer. Die erlebte Nervosität in Networking-Situationen geht einher mit der Ausschüttung von Stresshormonen. Die Freisetzung von Cortisol im Gehirn erschwert kreatives Denken und das Erinnern von Dingen. Das sind beides keine optimalen Voraussetzungen für ein positives Networking-Erlebnis. Die wesentliche Frage für Betroffene ist also die, wie man diesen Kreislauf aus Angst, Misserfolgserwartung und Vermeidungsverhalten möglichst effizient durchbricht.
Unsere Tips fürs Networking
Die gute Nachricht ist, dass das Durchbrechen des Kreislaufs relativ einfach möglich ist. Viele Menschen haben das geschafft. Sie sind dadurch keine anderen Persönlichkeiten geworden, sie gehen aber mit Networking-Veranstaltungen anders um und erleben diese nicht mehr als so sehr unangenehm. Der Königsweg ist ÜBEN. Wenn Networking Ihnen ein unbehagliches Gefühl bereitet, dann sollten sie dies häufiger praktizieren und auf gar keinen Fall vermeiden!
Der erste Schritt ist vielleicht der, mit einer guten Strategie ein Gespräch zu eröffnen. Wen würden Sie ansprechen, bzw. zu wem würden Sie hingehen? Beobachten Sie die Leute doch erstmal aus der Distanz. Achten Sie auf Körpersprache. Wer steht alleine? Wer schaut herum? Wer wirkt etwas deplatziert? Wem ist langweilig? Wer wartet? Diese Menschen werden mit einer guten Wahrscheinlichkeit über ein nettes Gespräch erfreut sein, denn vielleicht geht es ihnen ganz ähnlich wie Ihnen selbst. Jetzt fehlt Ihnen nur noch der Gesprächseinstieg. Natürlich geben wir hier kein Patentrezept aber versuchen Sie es doch mal so:
„Hallo, ich kenne hier absolut niemanden.“
Dies führt häufig zu einer „Ich auch nicht“-Antwort – und schon haben Sie einen Gesprächseinstieg. „Ach, und was hat Sie hier her geführt…“
Vielleicht sind Sie auf diesem Weg ja schon mitten im Gespräch und die Anfangshürde ist genommen. Zum Glück kommen dann auch wieder die Hormone ins Spiel, dieses mal allerdings hilfreicher. Das Gehirn schüttet Dopamin (den Motivator) und Serotonin (das Glückshormon) aus. Sie haben direkt Freude an der Situation und auch Ihr Umfeld wird dies bemerken und Ihre Gesellschaft genießen. Die Hemmschwelle beim nächsten Networking-Event liegt dann vielleicht schon etwas niedriger, denn Sie hatten ein Positiverlebnis.
Es ist aber auch keine schlechte Idee, sich vor einer Veranstaltung vorzubereiten. Zum Beispiel könnten Sie sich über aktuelle Nachrichten informieren (was noch nicht jeder weiss) oder Sie frischen etwas branchenspezifisches Know-How auf. Auf jeden Fall sind Sie so vorbereitet, wenn das Gespräch sich nicht so flüssig entwickeln sollte. Vorbereiten können Sie sich aber auch, indem Sie sich vorab eine Liste der Anwesenden schicken lassen und vielleicht vorab planen, mit wem Sie reden möchten. Gute Vorbereitung hilft, die eigenen Ängste zu bändigen.
Eine weitere interessante „Technik'“ basiert auf dem Pratfall Effekt (nach Elliot Aronson). Dieser besagt, dass Menschen, die eine persönliche Schwäche offenbaren, als besonders liebenswürdig wahrgenommen werden. Aber Vorsicht, denn diese Schwäche sollte nicht im Bereich Ihrer beruflichen Kernkompetenzen angesiedelt sein. Am besten funktioniert dieser Effekt, wenn hinsichtlich Ihrer Kompetenz keine Zweifel herrschen.
Ganz unabhängig von leichten Einstiegen, Themen und „kleinen Tricks“ hilft Ihnen vielleicht auch die recht verbreitete G-O-A – Strategie des Networkings:
- Gemeinsamkeiten (G) mit dem Gesprächspartner finden, denn „Ähnlichkeit schafft Sympathie“.
- Offenbarung (O) von etwas Persönlichem.
- Aufforderung (A) zum Gespräch und dazu auch etwas zu erzählen.
Mit diesen Tips sind Sie schon sehr gut präpariert. Jetzt heißt es positiv zu Denken und die Sache möglichst entspannt anzugehen. Wahrscheinlich ist selbst ein Worst-Case-Szenario einer Netzwerkveranstaltung nicht ganz so schlimm. Ihr Ziel ist es ein paar nette Verbindungen zu knüpfen und vielleicht können Sie dem einen oder anderen auch Ihre Hilfe anbieten. Denken Sie immer daran: „Eine Hand wäscht die andere.“
Und was sich besser nicht tun sollten…
Zum Abschluss möchten wir Ihnen auch noch ein paar Warnungen mit auf den Weg geben. Dies sollten Sie möglichst unterlassen:
- nur über sich selbst sprechen
- keine Fragen stellen; nicht zuhören
- ungefragt Ihre Visitenkarten verteilen
- in der Gruppe derer Schutz suchen, die Sie schon (etwas) kennen
- die Kontakte versanden lassen, also im Nachgang nicht weiter aktiv pflegen
Wenn Sie sich ein wenig durch diesen kleinen Networking Guide inspiriert fühlen, Ihr Networking in Zukunft etwas anders zu gestalten oder Sie sogar eigene positive Erfahrungen berichten können, dann freuen wir uns über einen Kommentar unter diesem Beitrag. Viel Erfolg!
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Foto: Dell’s Official Flickr Page, Lizenz cc-by-2.0 via Wikimedia Commons