P.L.U.R.V? Methoden der Desinformation
Inspiriert durch den aktuellen NDR-Podcast Coronavirus-Update (Folge 82, ab Minute 28: Argumente der Wissenschaftsleugnung) geht es heute bei uns im Blog um Methoden der Desinformation. Prof. Dr. Christian Drosten nutzt die (mediale) Kommunikation rund um die Corona-Krise um die als PLURV-Methoden bekannt gewordenen Mechanismen der Desinformation exemplarisch zu erklären. Nachzulesen ist das Skript der Podcast-Folge hier. Nun lassen sich die besprochenen Prinzipien auch auf andere kontroverse Debatten anwenden – selbstverständlich auch im beruflichen Kontext. Für uns Anlass genug, diesem Thema einen eigenen Beitrag zu widmen, auf dass uns allen Manipulationsstrategien schnelle auffallen und wir darauf nicht hereinfallen.
Wofür steht das Akronym „PLURV“?
PLURV steht für die Anfangsbuchstaben der folgenden häufigen Strategien der Meinungsmanipulation:
- Pseudo-Experten
- Logik-Fehler
- Unerfüllbare Erwartungen
- Rosinenpickerei
- Verschwörungsmythen
Englisch: FLICC: Fake Experts, Logical Fallacies, Impossible Expectations, Cherry Picking, Conspiracy Myths
P – Pseudoexperten
Oft werden sogenannte Pseudoexperten ins Feld geführt. Diese haben wenig eigenen relevanten Forschungsbeitrag vorzuweisen, glänzen aber mit häufig mit einem Professorentitel oder anderen beeindruckenden Leistungen der Vergangenheit, was auf den ersten Blick nach Kompetenz klingt. Oft fehlt es diesen Personen aber an aktuellem Know How bzw. an Einschlägigkeit. In der Psychologie kennen wir diesen Effekt auch unter dem Namen Authority Bias.
L – Logikfehler
Bei Logikfehlern handelt es sich um falsche Schlüsse aus im Grunde genommen korrekten Basisinformationen. Häufig läuft es darauf hinaus, das Kausalitäten, also Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, angenommen werden, obwohl es lediglich eine Korrelation gibt. Die eigentliche Komplexität, also Beispielsweise das Wirken von Moderator- und Mediatorvariablen wird schlicht ignoriert. Ein Beispiel für einen solchen Fehlschluss liefert die folgende Aussage: Der häufige und ausdauernde Konsum von Ego-Shootern (sogenannte Ballerspiele) macht Jugendliche aggressiv und führt bisweilen zu Gewaltexzessen und Amokläufen an Schulen.
U – Unerfüllbare Erwartungen
Zweifler fordern gern unmögliche Beweise – etwa, dass bewiesen werden muss, dass der Lungenkrebs tatsächlich auf vorherigen Zigarettenkonsum zurückzuführen ist. Ein weiteres Element in diesem Bereich ist die sogenannte Verschiebung von Torpfosten. Wurde zum Beispiel von einem Wissenschaftler der Nachweis geführt, dass Rauchen in kausalem Zusammenhang zu Lungenkrebs steht, wird ab dann der Nachweis im konkreten Einzelfall gefordert. Kann ausgeschlossen werden, dass eine nur Rauchen in Innenräumen wirklich gefährlich ist…
R – Rosinenpickerei
Der manipulierende Gesprächspartner sucht sich bei dieser Strategie die Punkte aus, die der eigenen Position zuträglich sind. Beim Picken von Rosinen werden zum Beispiel nur Quellen oder Aussagen gewählt, die dem Manipulator passen. Untermalt werden solche Aussagen dann sehr gerne mit Anekdoten und subjektiven Erfahrungen. Rosinenpickerei kennen wir aus der Klimaforschung, wenn behauptet wird, die Erde kühle sich ab oder es gäbe einen Rekordzuwachs an Polareis. Dies stimmt dann im Einzelfall zwar (nämlich wenn im Winter in der Polarnacht der arktische Ozean wieder zufriert, nach einem Rekordminimum im Sommer) aber die Aussage ignoriert den dominanten Trend.
V – Verschwörungsmythen
Das unterstellen einer Verschwörung ist die letzte der hier vorgestellten Strategien der Desinformation. Das Problem der Verschwörungserzählungen ist häufig, dass ihnen eine gewisse Plausibilität zugrunde liegt. Hier sind wir in einem Bereich angekommen, in dem man nichts beweisen oder widerlegen kann. Will zum Beispiel Bill Gates allen Menschen unbemerkt einen Chip einimpfen, um diese dann manipulieren zu können? Wer kann schon wissen, was Bill Gates will? Verschwörungsmythen sind teils abstruse Erzählungen, denen aber viele Menschen (zumindest in Teilen) Glauben schenken. Auch hierzu gibt es in der Psychologie eine Vielzahl an Forschungsbemühungen, beispielsweise zur Entstehung von Aberglaube. Ein Problem der Anti-Verschwörer ist, dass zuweilen sich Verschwörungsmythen auch mal als wahr herausstellen können.
Fazit
Also, wenn Sie das nächste Mal das Gefühl haben, manipuliert zu werden, erinnern Sie sich an die PLURV-Strategien. Denn erkennen bedeutet in diesem Fall zugleich Prävention.
Eine schöne Infografik „Grundkurs Desinformation“ hat die Website klimafakten.de bereitgestellt.