Produziert das Internet viele kleine Selbst-Überschätzer?
Das Internet suggeriert uns, dass wir vieles Wissen, denn die Antworten sind oft nur eine Suchanfrage entfernt. Aber, dieses Know-how ist nicht wirklich in unserem Kopf. Können wir das trennen und uns trotzdem realistisch einschätzen? Wir stellen heute eine Studie vor, die auf diese Frage eine Antwort gibt.
Ich glaube, es war in meinem dritten Studiensemester, als ein Freund mich Fragte, ob ich dieses „Google“ kenne. Kannte ich nicht. Überhaupt war es zu der Zeit noch sehr wenigen vorbehalten, sich im Internet zu bewegen. Ich hatte eine E-Mail-Adresse über unseren Fachbereich ergattert, aber praktisch nie eine E-Mail im Posteingang.
Auf jeden Fall war es damals nicht mein Weg, eine Frage mit Hilfe des Netzes zu beantworten. War ja auch nicht nötig, denn die mir zugänglichen Computer standen eh in der Bibliothek der Philipps Universität Marburg. Wir hatten Kataloge auf Mikrofiche, die uns halfen, die relevante Bücher und Fachartikel zu finden. Oh, wie bin ich froh, dass diese Zeit vorbei ist!
Heute ist es sehr einfach, auf die Fragen der Welt in kürzester Zeit eine Antwort zu finden. Sogar mobil. Hey Siri… Doch, wie wirkt sich dieses nicht vorhandene, aber in der Regel unkompliziert abrufbare Wissen auf die Selbsteinschätzung unserer Kompetenz, insbesondere der Einschätzung unseres Wissens, aus? Fischer und Kollegen (2015) haben sich mit der wohl eher dunklen Seite der allgegenwärtigen Such- und Finde-Maschinen beschäftigt und ihre Forschungsergebnisse in einem Artikel im Journal of Experimental Psychology publiziert. Was sind ihre wichtigsten Erkenntnisse?
Die Studie
Die Forscher haben mehrere Experimente durchgeführt. Im ersten Experiment bekamen die Versuchspersonen Fragen gestellt, die sie beantworten sollten. Zum Beispiel: Warum hat ein Golfball viele kleine Dellen an der Oberfläche? Die eine Hälfte der Probanden durfte das Internet nutzen, die zweite Hälfte nicht. Im Anschluss wurden alle gefragt, wie zuversichtlich sie sind, zu verschiedenen Themengebieten Fragen korrekt beantworten zu können, ohne das Internet zu benutzen. Die Teil-Gruppe, die zuvor mit Hilfe des Internets Fragen beantworten durfte, war deutlich zuversichtlicher dies auch in Zukunft erfolgreich machen zu können. Wer sich also zuvor von Google und Co. helfen lassen durfte, scheint das Wissen in gewisser Weise als sein eigenes einzustufen und überschätzt sich im Vergleich zu Vergleichsgruppe.
Die Forscher haben weitere Experimente durchgeführt. In einem anderen Setting wurde der einen Hälfte der Versuchsteilnehmer die Möglichkeit gegeben, auf einer bestimmten Website im Internet Informationen zur Beantwortung der gestellten Fragen zu suchen. Die zweite Gruppe erhielt exakt die selben informativen Texte, allerdings in Form von Ausdrucken. Auch hier fanden Fischer und Kollegen den selben Effekt. Wer im Internet suchen konnte, war nachher zuversichtlicher über ein umfangreiches Wissen zu verfügen, als wer Ausdrucke vorliegen hatte.
Diese Illusion, über Wissen zu verfügen, scheint nach Auffassung der Wissenschaftler stark durch das Internet (speziell die Suchmaschinen) verursacht zu werden. Das bedeutet, dass viele Menschen sich vielleicht in einer falschen Sicherheit wiegen und über deutlich weniger Kompetenz verfügen, als sie glauben. Oh ja, Anwesende sind davon nicht ausgenommen…
Der Google Effekt
Es gibt übrigens noch einen weiteren Interessanten Effekt, den sogenannten Google Effekt. Dieser besagt, dass Menschen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit eine Information vergessen, wenn ihnen gesagt wird, dass diese von einem Computer (für viele: Google) gespeichert sind. In anderen Worten: Wenn ich die Information via Google finden kann, dann muss ich mir nicht mehr die Mühe machen, mir diese zu merken.
Ich persönlich bin weit davon entfernt, diese Tatsache als den Untergang des Abendlandes zu geißeln, denn in gewisser Weise müssen wir alle Strategien finden, mit der zunehmenden Komplexität und Informationsmenge der Welt umzugehen. Und da ist Vergessen ein legitimes Mittel, wenn die Information dadurch nicht auf immer verloren ist. Auf der anderen Seite fürchte ich es schon, dass das Internet viele Menschen bequem macht. Und für manche Entscheidungen oder Innovationen braucht es eben auch eines im eigenen Kopf gespeicherten Wissens. Vielen Menschen scheint mir manchmal, gelingt es nur noch eine adaptierte Kopie einer gegoogelten Idee zu generieren und diese für eigenes Genie zu halten.
Literatur:
Fisher, M., Goddu, M., & Keil, F. (2015). Searching for explanations: How the Internet inflates estimates of internal knowledge. Journal of Experimental Psychology: General, 144 (3), 674-687.
Bilder:
Duncan Hull, CC BY 2.0
Enokson, CC BY 2.0