Ziele: Auf was es wirklich ankommt
Edwin Locke und Gary Latham haben mit der Formulierung ihrer Zielsetzungstheorie den Grundstein für praktisch jeden (Selbst-)Managementansatz der Gegenwart gelegt. Nahezu jedes Seminar und jedes Buch zum Thema variiert in irgendeiner Form dass Akronym vom SMARTen Ziel:
S pecific (spezifisch)
M essurable (messbar)
A chievable (erreichbar)
R ealistic (realistisch)
T imely (terminiert; mit einer Deadline versehen)
Auch die Idee, dass Ziele nicht vorgegeben, sondern gemeinsam (partizipativ) erarbeitet werden sollten ist in den Köpfen vieler eine feststehende Tatsache. Nicht alle dieser Aspekte sind jedoch gleichermaßen wichtig und richtig, wenn man sich die wissenschaftliche Erkenntnislage etwas genauer anschaut.
Dass Ziele dabei helfen, die Anstrengungen von Menschen in die richtige/gemeinsame Richtung zu lenken ist wohl unbestritten. Da fällt mir immer ein Zitat von Samuel Langhorne Clemens, alias Mark Twain ein: „Als wir das Ziel aus den Augen verloren, verdoppelten wir die Anstrengungen.“ Zugleich wird Zielen im Kern eine motivierende Wirkung zugeschrieben. Diverse Metaanalysen, z.B. von Tubbs (1986) und von Mento (1987), haben dies bestätigt. Ich habe für mich die folgenden fünf Erkenntnisse als zentrale Erfolgsfaktoren für das Führen mit Zielen (Management by Objectives) identifiziert.
1. Erkenntnis: Ziele, die im eigenen Interesse liegen, motivieren am stärksten.
Eigeninteresse ist sehr motivierend. Je wahrscheinlicher es ist, dass ein erreichtes Ziel uns ein gutes Gefühl beschert, desto motivierender wird dieses Ziel sein. Ein Ziel motiviert uns, …
a) wenn wir ein Glücksgefühl im Anschluss antizipieren.
b) wenn unsere Leistung in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Belohnung steht.
c) wenn unser Bemühen unmittelbar zum Erreichen des Ziels führt.
Natürlich wird nicht jedes Ziel diese drei Standards voll erfüllen. Im Kern sollten Führungskräfte sich aber stets in die Perspektive ihrer Mitarbeiter versetzen und sich mal aus deren Sicht die Frage „Was habe ICH davon?“ stellen.
2. Erkenntnis: Je anspruchsvoller ein Ziel, desto stärker seine motivierende Wirkung
Es ist kein Mythos, dass sogenannte „Stretch Goals“ tatsächlich zu besserer Leistung motivieren, als leichter erreichbare Ziele. Es gibt eine mehr oder weniger lineare Beziehung zwischen der Schwierigkeit eines Ziels und der Anstrengung, die Menschen bereit sind in das Erreichen dieses Ziels zu investieren. Dieser Zusammenhang gilt auch für besonders herausfordernde Ziele, die sehr schwer zu erreichen sind. Die Motivation nimmt erst dann ab, wenn jemand physisch schlicht nicht mehr in der Lage ist noch härter zu arbeiten oder die Schwierigkeit des Ziels so hoch liegt, dass das Commitment aufgekündigt wird.
3. Erkenntnis: Spezifische Ziele führen zu besseren Ergebnissen als der schlichte Appell „Tu dein Bestes!“
Diesem Aspekt eines gut formulierten Ziels trägt die oben erwähnte SMART-Formel voll Rechnung. Es gibt belastbare experimentelle Befunde, die belegen, dass die Aufforderung „Tu dein Bestes!“ im Vergleich zu spezifischen Zielvorgaben zu schlechterer Leistung führt.
Allerdings sollten Manager es unbedingt vermeiden, zu konkret formulierte Ziele zu setzen. Dies kann nämlich zu einem Phänomen führen, dass als Unaufmerksamkeitsblindheit bekannt geworden ist. In diesem Zustand sind Menschen so sehr auf eine bestimmte Aufgabe fokussiert, dass sie wichtige Informationen übersehen, die möglicherweise wesentlich wären. der Effekt wird sehr schön durch die Studie „Gorillas in unserer Mitte“ illustriert. Das folgende Video zeigt das Phänomen sehr anschaulich!
4. Erkenntnis: Zusätzliche Ziele führen zu verringertem Engagement bei anderen Zielen
Eine große Zahl von Forschungsergebnissen belegt auch, dass mit steigender Anzahl von Zielen, die Leistung eines Menschen in jedem einzelnen Ziel immer schlechter wird. Mir ist keine Forschung bekannt, die einen Hinweis auf die optimale Zielanzahl gibt.
Allerdings können wir wohl davon ausgehen, dass ein weitere „Spezialauftrag“ für einen herausragenden Mitarbeiter dessen Gesamtleistung mit hoher Wahrscheinlichkeit negativ beeinflusst.
5. Erkenntnis: Häufig Feedback geben
Auch in diesem Bereich ist die Erkenntnislage in der Forschung eindeutig. Wenn Menschen prinzipiell bereit sind, sich für das Erreichen eines Ziels anzustrengen, dann werden sie für ein hilfreiches Feedback dankbar sein und dieses für ihr zukünftiges Verhalten berücksichtigen. Leider zeigt es sich immer wieder, dass Führungskräfte eine (irrationale) Angst davor haben, anderen Menschen ein korrigierendes Feedback zu geben.
Leider fatal. Häufiges Feedback hilft Menschen, sich schneller zu entwickeln. Mit jeder Rückmeldung bekommen sie die Chance, ihren bisherigen Kurs zu hinterfragen und ggf. zu korrigieren. Viel Feedback verkürzt den Leistungs-Verbesserungs-Zyklus. Leistungssteigerungen kommen viel schneller – ohne Feedback häufig überhaupt nicht. Der Effekt ist stärker bei komplexen Aufgaben als bei einfachen Aufgaben.
Insgesamt sollte man sich auch bewusst sein, dass ein gutes Feedback im Rahmen des Zielvereinbarungsprozesses auch die Funktion hat, die Selbstwirksamkeit der Menschen zu steigern. Ein Aspekt, der vielleicht von vielen Managern in Summe zu sehr vernachlässigt wird?