
re:publica 12 – Future of Work – Arbeit, Sinn oder Unsinn des Lebens?
Drei Tage Kongress in Berlin enden für mich mit Steffen Hoelleins Vortrag: „Future of Work – Arbeit, Sinn oder Unsinn des Lebens?“ Danke Steffen, für deinen inspirierenden Beitrag. Gut gefallen hat mir, dass dein Beitrag frei von politischen und dogmatischen Positionen war, eben authentisch aus eigener Erfahrung… Ich würde mir wünschen, dass die von dir vorgebrachten Gedanken und Appelle über den Kreis der dafür sicher sehr affinen Kongressbesucher hinaus Gehör finden und trage mit diesem kurzen Artikel vielleicht ein wenig dazu bei. Ich versuche also, deinen roten Faden in aller Kürze zusammen zu fassen.
Der Kern von Steffens Argumentationskette ist der, dass es ein Fehler ist, sich Zielen wie dem Lebensunterhalt, materieller Sicherung und bestimmter Lebensstandards zu verschreiben. Dies erhöhe auf Dauer die Wahrscheinlichkeit, psychisch krank zu werden. Ferner sei die Gefahr groß, dass man sich verzettelt und persönlich nicht weiter entwickelt. Stattdessen sollten Menschen sich anders optimieren und vornehmlich nach Dingen wie Selbstbestätigung, Selbsterfüllung, gesellschaftlicher Teilhabe und sozialen Kontakten streben.
Steile These… Warum gehe ich dem Gedanken dennoch mit? Weil Steffen eine Lösung anbietet: Könnerschaft! Er appelliert für Mut, Ausdauer und Stetigkeit in dem was man tut und mahnt an, dass eine ausgeprägte Übungskultur in unserer Kultur abhanden gekommen ist. Es geht also nicht darum, nur lustgetrieben den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen, bzw. sich für alles zu interessieren, was einem für den Moment spannend vorkommt. Leidenschaft und langfristiges Engagement für das was man tut sind gefragt. Der materielle Erfolg, das wird Steffen nicht müde zu betonen, komme dann automatisch.
Wie merkt man, dass man auf dem richtigen Weg ist? „Wenn man sich bei dem Wunsch ertappt, ungestört seine Arbeit machen zu können und dabei der Erfolg nicht aufzuhalten ist.“ Für alle anderen gilt: „Wer lange um die Scheiße kreist, fängt selber an zu stinken.“ Ich hätte es nicht besser formulieren können…
Die Diskussion im Anschluss brachte natürlich auch zum Ausdruck, dass dieses Lebensmodell vielleicht nicht für jeden passt. Das ist wahr. Was Steffen aber aus meiner Perspektive schön herausgearbeitet hat (ohne dies so zu benennen), ist das in der Wirtschaftspsychologie aktuell häufiger diskutierte Konzept der T-shaped skills, wonach Menschen am Arbeitsmarkt erfolgreich sind, wenn sie in wenigen spezifischen Bereichen eine tiefe Könnerschaft erreichen und zugleich in der Lage sind mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten und ihr Wissen in unterschiedlichsten Situationen anzuwenden. Auch ich arbeite am liebsten mit solchen Kollegen zusammen und wünsche mir Menschen in meinem Umfeld, die für ihre Sache brennen. Das dies in vielen Beschäftigungsverhältnissen nur schwer möglich ist, liegt auf der Hand, denn für das Erlangen einer echten Expertise fehlt nur zu häufig die Zeit. Es gilt sich also zu entscheiden und die eigenen Prioritäten zu setzen.
Aus meiner Sicht ist das Konzept der T-shaped skills ein Paradebeispiel für gelebte Vereinzelung des Selbst und der gesteigerten Entfremdung von der eigenen Arbeit. Also kein Zukunftsmodell.
Danke für deine Zusammenfassung, Stephan.
Ich finde das Thema ja nicht nur interessant, weil unsere eigenen Forschungsergebnisse in der Multiperspektiv-Studie „Hr-2020“ (http://bit.ly/J79ylg) in eine Richtung gehen, die den Sinn der Arbeit als bisher und vielleicht auch zukünftig stark vernachlässigtes Thema zeigen (zumindest bei HR), sondern weil wir glaube ich generell bei Jüngeren (siehe dein anderer Artikel „Wie verändert sich, was uns für unsere Arbeit wichtig scheint?“) den Trend zu erkennen, mit Sinnhaftigkeit zu überleben und sich in die Arbeit stürzen zu wollen..
Ich denke zwar, dass t-shaped skills zu sehr einschränken (denn man kann m.M. nach auch für mehrere Themen „brennen“ und diese sogar wunderbar miteinander verbinden), dennoch einen guten Fokus darstellen, der dazu führt, dass man sich mit ähnlich denkenden und handelnden Menschen umgibt, von ihnen lernt, sie inspiriert und somit eine Aufwärtsspirale für diese Themen herstellt. Ganz nach dem Motto „Where attention goes, energy flows“.
Weiterhin ist der Sinn der Arbeit (und im gesamten Leben) ja ein großer Faktor der Zufriedenheit, des Glücksgefühls an sich und demnach – wie Steffen ja scheinbar auch angesprochen hat – positiv auf die Gesundheit auswirken.
Ergo: Mache, was dir Spaß macht und wo du mit Freude einen Mehrwert (unabhängig vom Monetären) herstellen kannst und es wird nicht nur anderen gut tun, sondern auch dir selbst.
Zu Monette: ich denke, solch ein Fokus auf einzelne Themen führt nur zur Vereinsamung, wenn man im sinnbildlichen Elfenbeinturm sitzen bleibt und sich mit seinen Erkenntnissen einschließt. Das Teilen und Zusammenarbeiten ist hier m.M. nach essentiell und dann wahrscheinlich sogar sehr fruchtbar im interdisziplinären Feld mit anderen „Spezis“.
Zu T-Shaped fällt mir das kürzlich geleakte „Handbook for new Employees“ der scheinbar sehr coolen Firma Valve ein. Dort gibt es auf Seite 47 auch eine nette Grafik dazu (hm, Bilder kann ich hier nicht einfügen, oder?). Insgesamt ein super Handbuch, aus dem ich sicher Einiges abkupfern würde, wenn ich eine prima Firma aufbauen wollte.
Hallo zusammen,
das von Stefan erwähnte Valve Employee Handbook findet sich zur Zeit hier:
http://newcdn.flamehaus.com/Valve_Handbook_LowRes.pdf
Ich persönlich zweifele ja sehr an der Geschichte, dass das Handbuch geleakt ist…
Hej Stephan, danke dir für die Zusammenfassung – habe die Session leider verpasst.
Wurde der Vortrag dokumentiert bzw. existiert bereits irgendwo im Netz ein Video?
Die Folien zum Vortrag sind online und im Artikel verlinkt, sonst ist mir nichts bekannt.
Außerdem habe ich hier noch ein Interview gefunden:
http://detektor.fm/wirtschaft/voxpublica-arbeit/