Gender Balance: Was Männer wirklich über Frauenquoten denken und sich nicht zu sagen trauen…
Fast jedes deutsche Unternehmen beschäftigt sich aktuell (mal wieder) mit dem Thema Frauenmangel im Top-Management. Doch bevor ein Unternehmen sich eine Zielvorgabe setzt oder gar Maßnahmen bzw. Programme startet, steht hoffentlich eine genaue Analyse. Was behindert die Karriere von Frauen im eigenen Unternehmen?
Wer weiß das schon genau? Die Zeitschrift managerSeminare (Heft 165, Dez. 2011) fragte 108 Leser und erfährt, dass die Unternehmenskultur nur auf dem Papier familienfreundlich ist (63% Zustimmung). Hinderlich sei außerdem ein Beförderungssystem, dass nicht nach Fähigkeit und Leistung fördere, sondern nach Aufwand und Beziehung (50% Zustimmung). Schließlich stünden sich auch die Frauen selbst im Weg, weil sie sich nicht durchsetzen und zu oft nur als „fleißiges Bienchen“ positionieren (49% Zustimmung). Also mal in anderen Worten:
- männlich dominierte Unternehmenskultur (= unattraktiv für geeignete Frauen)
- systematische Fehlentscheidungen bei Besetzungen (= unfair für geeignete Frauen)
- schlechtes weibliches Selbstmarketing (= unpassend für geeignete Frauen)
Der Weg ins Top-Management ist also für viele geeignete Frauen unattraktiv, unfair und unpassend? Dem geneigten Leser empfehle ich in diesem Zusammenhang auch den Artikel von Claudia Peus und Isabell M. Welpe: Frauen in Führungspositionen – Was Unternehmen wissen sollten. Was Befragungen (wie z.B. die oben erwähnte) aber oft nur zum Vorschein bringen, sind sozial akzeptierte, gefilterte Aussagen. In eigenen Projekten und unzähligen Gender-Balance-Interviews mit Vorständen und Führungskräften der mittleren und oberen Ebenen wurden mir dutzende solcher Ursachen genannt. Viele Vorstände und Top-Manager zeigten sich reflektiert, des Problems bewusst und bereit, Teil der Lösung zu sein. Doch können sie das überhaupt, ohne sich selbst zu schaden?
Klar, wer selbst noch auf der Karriereleiter aufsteigen will und männlich ist, dessen Ziel ist natürlich ganz realistisch durch mehr weibliche Konkurrenz in Gefahr. ER befindet sich definitiv früher oder später in einem Interessenkonflikt.
Doch welche verhaltensbestimmenden Mechanismen können wir bei den vielen anderen Vorständen und Top-Managern annehmen, die vielleicht durchaus weniger egoistisch-karriereorientiert denken? Auch sie werden im Falle von ungefähr gleichwertigen Handlungsalternativen so entscheiden, dass Sie persönlich einen Nutzen für sich sehen. Werden sie also eher eine Frau oder eher einen Mann substanziell fördern? Ich habe drei Thesen gehört:
- Besagter (männlicher) Manager denkt wie ein Statistiker und minimiert Risiken. Er denkt: „Die Wahrscheinlichkeit, dass mein weiblicher Protegé nach einer Kinderpause nicht zurück kommt ist höher als bei einem männlichen. Außerdem sind Männer eher bereit Opfer für die eigene Karriere zu bringen; sie sind durch Macht zu motivieren. Frauen sind freizeit- und familienorientierter. Ich selbst bin das beste Beispiel dafür, dass ein Mann diese (nicht gerade vergnügungssteuerpflichtige) Aufgabe verantwortungsvoll und langfristig übernimmt. Ich bin also gut beraten, wenn ich auf einen Mann setze.„
- Besagter (männlicher) Manager ist immer bestrebt ein möglichst mächtiges berufliches Netzwerk zu besitzen. Er denkt: „Frauen mögen zwar geeignete Kandidatinnen sein, aber werden sie sich auch in Zukunft durchsetzen? Was ist beim nächsten Schritt, wenn nicht ich ihr die Tür öffne, sondern sie selbst ihren Anspruch formulieren und vielleicht auch mal ihre Ellenbogen gebrauchen muss. Habe ich dann auf das richtige Pferd gesetzt oder hat mein Kollege, der einen Mann protegiert, dann einen wichtigen Kontakt in mächtiger Position?„
- Besagter (männlicher) Manager ist von Frauen in seinem Umfeld verunsichert, weil er meint, deren Motive schlechter einschätzen zu können; sie sind für ihn weniger berechenbar. Er denkt: „Was passiert, wenn mein weiblicher Protegé es schafft, und Karriere (an mir vorbei) macht? Gelten dann noch die selben impliziten Regeln, wie sie in unseren bestehenden Männernetzwerken Gültigkeit besitzen? Sind ihre Werte, Interessen, Ziele denn überhaupt mit meinen kompatibel, oder werden wir dann Konflikte bekommen?„
Ich behaupte nicht, dass das männliche Top-Management sich solcher Überlegungen immer bewusst ist. Ganz im Gegenteil sogar: Die allermeisten sind zweifelsohne bemüht, die richtigen Personalentscheidungen zu treffen, nur gänzlich freimachen von obigen Einflüssen können sie sich auch nicht.
Fazit: Wenn es nicht gelingt, die subtilen Widerstände der männlichen Top-Manager abzumildern, dann werden motivierte Frauen immer wieder an „gläserne Decken“ stoßen. Dann können nur feste Quoten die Verhältnisse ändern und in deren Folge wird der aktuell subtile Widerstand der Männer offener und systematischer werden.
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Bildquelle: OpenAI. (2024). Gläserne Decke – Frauen im Top-Management [Digital image created with DALL-E]. Retrieved from https://openai.com/