
Brainstorming mit dem iPad
Mit dem zweiten Beitrag zur Serie “Coaching und Moderation: Ankunft im digitalen Zeitalter” will ich mich dem Thema Brainstorming widmen. Auch hier gilt wieder die Aufforderung: Hinterlassen Sie Ihre Meinung als Kommentar oder werden Sie Gastautor!
Beim Brainstorming geht es darum, die Erzeugung von neuen, ungewöhnlichen Ideen in einer Gruppe von Menschen zu fördern. Als Moderatoren schaffen wir zu diesem Zweck eine möglichst kreative Stimmung, in der sich die Teilnehmer gegenseitig inspirieren sollen. Jeder ist aufgefordert seine Gedanken zu artikulieren. Der nächste kommt auf diese Weise vielleicht zu einer völlig neuen Idee, die er sonst niemals gehabt hätte. Oder, er entwickelt eine Idee weiter – baut diese aus. Kritik, Wertung von Ideen oder gar Totschlagargumente sind tabu. Vielmehr dürfen auch verrückte, unsinnige Vorschläge entwickelt werden – je kühner und fantasievoller, desto besser. In dieser Phase ist alles erlaubt, was den Lösungsraum vergrößert.
Erst im zweiten Schritt werden die Ideen sortiert und dann bewertet. Häufig erlebe ich, dass Brainstorming mit der Methode der Kartenabfrage verwechselt wird. Doch, wenn die Mitglieder einer Gruppe ihre Ideen jeder für sich im Stillen auf Metaplankärtchen schreiben und anschließend vorstellen, dann hat dies mit Brainstorming nicht viel zu tun. Es fehlt der chaotisch-inspirierende Prozess, der unser Denken in neue, ungewohnte Bahnen lenken soll.
Dass Gruppen auf diesem Wege zu zahlreicheren und kreativeren Lösungen kommen, ist zwar plausibel und dennoch falsch. Stroebe und Nijstad (2004) konnten zum Beispiel zeigen, dass Kommunikation die Ideengenerierung zwar grundsätzlich stimulieren kann, die durch das Zuhören verursachten Unterbrechungen der eigenen Denkarbeit aber den kreativen Prozess stören. Andere Autoren betonen die unterschiedliche Bewertung ein und derselben Idee, abhängig davon wer sie äußert. Störeinflüsse, wie zum Beispiel Ausdrucksvermögen, Sympathie, Macht usw. verhindern potenziell, dass alle Ideen die selbe Chance haben zur Keimzelle der bestmöglichen Gruppenlösung zu werden.

Abbildung: Anwendungsbeispiel der iPad-App iBrainstorm im Rahmen der Durchführung eines Mitarbeiterbefragungsworkshops
Diesen Problemen ist mit technischen Mitteln beizukommen und das volle Potenzial der Brainstorming-Methode kann damit besser „entfesselt“ werden. Ich verwende hierfür die iPad-App iBrainstorm, die ich weiter unten noch genauer beschreiben werde. Der entscheidende Kniff beruht auf zwei Veränderungen im Vorgehen:
1. Parallelisieren der Kommunikation: Jeder Teilnehmer erhält ein iPod/iPhone oder ein iPad. Auf diesem schreibt er seine Ideen und überträgt diese dann auf ein iPad, dessen Bildschirm via Beamer (benötigt wird ein VGA-Adapter; funktioniert optimal nur mit iPad2) an eine Wand projiziert wird. Auf diese Weise erfährt jeder Inspiration durch die ganze Gruppe ohne durch Zuhören oder Vortragen im eigenen kreativen Prozess unterbrochen zu werden. Der Moderator organisiert währenddessen die eingehenden Ideen, indem er eine erste Clusterung vornimmt.
2. Anonymisieren der Ideen: Aufgrund der oben beschriebenen Methode werden Ideen vollständig anonym eingebracht. Weder Ausdrucksvermögen, Sympathie oder Position in der Gruppe können daher Einfluss auf die Bewertung eines Inputs nehmen. Jede Idee hat initial die selbe Chance, und schädlichen Anteilen der Gruppenarbeit wird so entgegen gewirkt.
Die App iBrainstorm (siehe Abbildung) lehnt sich in ihrer Optik an Korkpinnwand und Post-it-Zettelchen – nicht an eine Metaplanwand – an. Mittels virtueller Tastatur können die kleinen Zettelchen beschriftet werden. Anschließend können sie recht komfortabel mit dem Finger sortiert, unterschiedlich eingefärbt oder gelöscht werden. Zusätzlich kann auf der Korkwand mit dem Finger gemalt und geschrieben werden, so dass übersichtliche Endergebnisse entstehen. Das Endergebnis kann dann exportiert und per E-Mail verschickt werden.
Fazit: Ich finde iBrainstorm toll! Einschränkungen ergeben sich natürlich hinsichtlich der technischen Voraussetzungen, wenngleich die Investitionskosten für ein iPad und einige iPods/iPhones noch recht überschaubar bleiben. Natürlich muss im Seminarraum auch ein WLAN-Netzwerk existieren, sonst funktioniert die Kommunikation der iGeräte untereinander nicht. Schöner wäre es natürlich, wenn die Entwickler die ergänzende App „iBrainstorm Companion“ auch für andere Smartphones entwickeln würden. Bei der zunehmenden Verbreitung dieser Geräte könnte dann voraussichtlich auf bestehende Hardware zurückgegriffen werden. Ebenfalls auf der Wunschliste steht eine Undo-Funktion. Mit dem letzten größeren Update haben die Entwickler aber immerhin eine ärgerlich Einschränkung beseitigt: Jetzt können beliebig viele Pinwände verwendet werden. Ursprünglich stand nur eine einzelne zur Verfügung, die immer wieder gelöscht werden musste.
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Bildquelle: OpenAI. (2024). Brainstorming [Digital image created with DALL-E]. Retrieved from https://openai.com/