Personalauswahl verbessern, Fehleinstellungen vermeiden: Person-Organization Fit (P-O Fit)
Ein Mensch kann ja zu 100% die Anforderungen eines Jobs erfüllen… Und trotzdem passt er einfach nicht ins Unternehmen. Vielleicht hat er schlicht nicht das richtige Mindset. Was dann beobachtet werden kann, ist eine Abstoßungsreaktion, wie sie bei einer missglückten Organtransplantation auftritt. Das hilft weder Mitarbeiter, noch dem Unternehemen. Deswegen sollten einstellende Manager neben Hard- und Softskills auch die Passung neuer Mitarbeiter berücksichtigen. Nur wie? Der Nasenfaktor? Dasgeht besser! Die Forschung in diesem Bereich ist schon relativ weit und stellt uns eine gute Systematik zur Verfügung, auf deren Basis jedes Unternehmen seine Auswahlprozesse signifikant verbessern kann:
1. Was ist Person-Organization Fit (P-O Fit)
In der Literatur wird die Kompatibilität von Personen und Organisationen pauschal als Person-Organization Fit (Passung) bezeichnet. Zur sprachlichen Vereinfachung wird das Konzept im Folgenden in der Kurzform als P-O Fit verwendet. Einen strukturierten Überblick über die unterschiedlichen Konzeptualisierungen und Operationalisierungen von P-O Fit findet man bei Kristof (1996).
Abbildung: Unterschiedliche Konzeptualisierungen von P-O Fit (aus Kristof, 1996)(WFF = Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten)
Kristof (1996) unterscheidet zwischen zwei unterschiedlichen Voraussetzungen für Passung.
Zum einen kann ein Mitarbeiter zu einem Unternehmen passen, weil beide gleiche oder ähnliche Merkmale (Persönlichkeit, Werte, Ziele, Normen, etc.) besitzen. In diesem Fall spricht man von supplementärem Fit (supplementary fit, siehe Abbildung). Ein streng im christlichen Glauben erzogener Mensch zum Beispiel hat vielleicht im Rahmen seiner Sozialisation persönliche Wertvorstellungen erworben, die nicht mit den Werten eines auf wirtschaftlichen Profit ausgerichteten Unternehmens kompatibel sind. Die daraus resultierenden Konflikte können zum einen für dieses Individuum eine starke Belastung sein, zum anderen sind sie wahrscheinlich ein ständiges Ärgernis für seine Vorgesetzten. Diese Person passt vermutlich besser zu einer anderen, vielleicht gemeinnützig arbeitenden Organisation. Entsprechend wird sie sich bei manchen Firmen gar nicht erst bewerben. Judge & Bretz (1992) können beispielsweise zeigen, dass Studenten in ihrem letzten Studienjahr Jobs in solchen Unternehmen bevorzugen, deren Werte ihren eigenen Werten ähnlich sind.
Von komplementärem Fit (complementary fit, siehe Abbildung) wird immer dann gesprochen, wenn sich Person und Organisation ergänzen, also Merkmale besitzen, die auf der jeweils anderen Seite nicht vorhanden sind, aber benötigt werden. So könnte sich die Person aus obigem Beispiel doch für ein Wirtschaftsunternehmen als Arbeitgeber entscheiden, weil dieses auf dem Gebiet der Sicherheit und finanziellen Entlohnung ihre Erwartungen erfüllen kann. In diesem Fall werden die Bedürfnisse der Person vom Angebot der Organisation befriedigt (Bedürfnisse – Angebot, siehe Abbildung). Aus Sicht des Unternehmens kann diese Person trotz abweichender Wertvorstellungen zum Beispiel dann interessant sein, wenn sie über eine wichtige Qualifikation verfügt, die bislang niemand sonst im Unternehmen besitzt. Die Person kann dann mit ihren Fähigkeiten die Nachfrage der Organisation decken (Nachfrage – Fähigkeiten, siehe Abbildung).
Es liegt auf der Hand, dass supplementärer Fit und komplementärer Fit keine sich gegenseitig ausschließenden Konzepte sind. Kristof (1996) weist darauf hin, dass bislang nur sehr wenig über das Zusammenwirken beider Komponenten bekannt ist. Sie stellt die Hypothese auf, dass supplementärer Fit vergleichsweise stärkere Effekte auf die Einstellung neuer Mitarbeiter hat, während komplementärer Fit bedeutsamer für ihre spätere Arbeitsleistung ist. Ferner vermutet sie, dass beide additiv zusammenwirken. Empirische Belege zu diesen Hypothesen sind allerdings noch zu erbringen.
Kristof (1996) erweitert entsprechend der oben angeführten Zusammenhänge eine allgemeinere Begriffsbestimmung von Muchinsky & Monahan (1987) und kommt zu folgender Definition:
P-O Fit ist definiert als die Kompatibilität von Person und Organisation, die dann gegeben ist, wenn
a) wenigstens einer von beiden etwas bietet, was der andere benötigt,
b) beide grundlegende gemeinsame Merkmale teilen, oder
c) beides der Fall ist.
2. Unterschiedliche Operationalisierungen von P-O Fit
Menschen und Organisationen haben jeweils viele Facetten. Sprechen wir von P-O Fit, ist stets die Passung in einem bestimmten, eng umgrenzten Bereich gemeint, der für die jeweilige Fragestellung als besonders bedeutsam angesehen wird. Kristof (1996) identifiziert auf der Basis einer Literaturdurchsicht vier Operationalisierungen von P-O Fit.
2.1 Ähnlichkeit von Werten
Studien, die supplementären Fit untersuchen, betrachten häufig die Übereinstimmung von Werten des Individuums mit Werten und Normen, die im Unternehmen bedeutsam sind (z.B. Chatman, 1989; Chatman, 1991; O’Reilly, Chatman, & Caldwell, 1991; Judge & Bretz, 1992). Ein besonderer Vorteil von Werten ist ihre Beständigkeit über die Zeit (Chatman, 1991).
Weinert (1998) schreibt über die Bedeutung von Werten: „Sie beeinflussen unsere Wahrnehmung, unsere Bewertungen, unsere Präferenzen und unsere Erwartungen. Werte haben Auswirkungen auf unsere Einstellungen und auf unser Verhalten, auch darauf, wie wir unser Leben führen, wie wir Beziehungen zu anderen aufbauen und unterhalten, auf unsere Zufriedenheit, auf unsere Ziele und auf unseren Ehrgeiz.“
2.2 Ähnlichkeit von Zielen
Eine andere Herangehensweise ist die Betrachtung von Zielen. Hier wird die Übereinstimmung von Zielen des Individuums mit Zielen der Unternehmensführung (bzw. von Kollegen) als P-O Fit operationalisiert. Arbeiten in diesem Bereich gehen auf die attraction-selection-attrition Annahme (ASA) von Schneider (1987) zurück. Grundlegend ist die Idee, dass Personen sich von jenen Organisationen angezogen fühlen, deren Ziele ihren eigenen Zielen ähnlich sind, oder die es ihnen ermöglichen, ihre individuellen Ziele zu erreichen. Weiter wird postuliert, dass diese Personen von Personen innerhalb der Organisation ausgewählt werden, weil sie einander ähnlich sind. Personen die „fälschlich“ in die Organisation eintreten, verlassen diese wieder, weil sie feststellen, dass sie nicht zur Organisation passen. Die Folge ist die, dass die langfristig verbleibenden Personen einander ähnlicher sind, als diejenigen, die ursprünglich das Unternehmen attraktiv gefunden haben. Schneider (1987) benutzt die Passung von Zielen als Erklärung für den kontinuierlichen Zuwachs an Homogenität innerhalb von Unternehmen.
2.3 Persönlichkeit und Organisationsklima
Als dritte Möglichkeit einer Operationalisierung von P-O Fit sind oftmals einzelne Persönlichkeitsaspekte Gegenstand der Betrachtung. Kristof (1996) unterscheidet zwei Fälle. Im ersten Fall handelt es sich um supplementären Fit. Die Persönlichkeitsmerkmale des Individuums decken sich mit Merkmalen des Organisationsklimas (z.B. Judge & Cable, 1997). Day & Bedeian (1995) finden, dass die Ähnlichkeit zwischen der Persönlichkeit einer Mitarbeiterin und den Persönlichkeiten ihrer Kolleginnen ein signifikanter Prädiktor für die berufliche Leistung ist. Der zweite Fall ist dem komplementären Fit zuzuordnen. Bestimmte Persönlichkeitsmerkmale wecken Bedürfnisse, die die Organisation durch gewisse Strukturen befriedigen kann (Bedürfnisse – Angebot, siehe Abbildung). Stevens (1999) untersucht beispielsweise den Zusammenhang einzelner Persönlichkeits¬dimensionen der „Big Five“ von Costa & McCrae (1992) bezüglich persönlicher Vorlieben hinsichtlich bestimmter Führungsstile.
2.4 Befriedigung von Bedürfnissen
Eine vierte Forschungsrichtung befasst sich ausschließlich mit komplementärem Fit. Es wird überprüft, inwieweit Organisationen und ihre Strukturen den Vorlieben und Bedürfnissen der Menschen entsprechen, die für sie arbeiten. Cable & Judge (1994) untersuchen zum Beispiel die Attraktivität von Unternehmen für Personen auf Jobsuche in Abhängigkeit von angebotener Bezahlung und der Art des Bezahlungssystems.
3. Abgrenzung zu anderen verwandten Konzepten
P-O Fit bedeutet, kompatibel zu sein mit der ganzen Organisation. Warum wird nicht untersucht, wie gut der spezifische gewählte Beruf oder der aktuelle Job zu einer Person passt? Wie gut passt eine Person zur Arbeitsgruppe, mit der sie täglich auskommen muss? Natürlich sind auch diese Formen von Person-Environment Fit (P-E Fit) interessante Betrachtungsebenen. Sie werden jedoch vom Konzept des P-O Fits abgegrenzt, weil sie neben einer abweichenden Definition auch jeweils für unterschiedliche Bereiche bedeutsam sind.
Wählen wir P-O Fit als Analyseebene, haben wir bereits bestimmte Hypothesen im Kopf. Diese können beispielsweise folgendermaßen aussehen: Mitarbeiter mit hohem P-O Fit sind besonders flexibel einsetzbar. Sie führen unterschiedliche Tätigkeiten in unterschiedlichen Unternehmensbereichen aus, ohne dass ihre Arbeitsleistung nachlässt oder sie eine Kündigung in Erwägung ziehen.
Welchen Anwendungsbereich haben andere Konzeptionen?
3.1 Person-Vocation Fit (P-V Fit)
Berufe haben nach Holland (1985) ebenfalls eine Persönlichkeit. Personen wählen ihren Beruf nach seiner Ähnlichkeit mit ihrer eigenen Persönlichkeit aus. P-V Fit eignet sich demnach zwar zur Vorhersage der Berufswahl, kann aber nicht erklären, warum eine Person eine Stelle in Organisation A annimmt, obwohl sie eine identische Position in Organisation B ablehnt.
3.2 Person-Job Fit (P-J Fit)
P-J Fit wird von Edwards (1991) als „die Übereinstimmung von Fähigkeiten einer Person mit den Anforderungen eines Jobs oder den Wünschen einer Person und den Eigenschaften des Jobs definiert“ (Übersetzung des Verfassers). Ein Job ist eine bestimmte Tätigkeit, die gegen Bezahlung ausgeführt wird (Kristof, 1996). P-J Fit ist also bezogen auf diese umgrenzte Betätigung und somit viel spezifischer als P-V Fit.
Die Grenze zum P-O Fit verläuft dagegen eher unscharf, denn Aspekte des Jobs lassen sich nur schwer von Merkmalen der Organisation trennen. Eine Unterscheidung macht laut Kristof (1996) trotzdem Sinn, weil dieselben Tätigkeiten in unterschiedlichen Unternehmen in verschiedenen Kontexten (Belohnungssystem, Wertschätzung der Mitarbeiter, etc.) ausgeführt werden. Empirische Unterstützung dafür, dass beide Konzepte getrennt voneinander betrachtet werden sollten, kommt von O’Reilly et al. (1991). Er finden keine signifikanten Korrelationen zwischen P-O und P-J Fit.
3.3 Person-Group Fit (P-G Fit)
P-G Fit wird von Kristof (1996) als die Kompatibilität zwischen einer Person und ihrer Arbeitsgruppe bezeichnet. Deswegen wird P-G Fit häufig im Zusammenhang mit der optimalen Zusammenstellung von Teams verwendet. Eine Unterscheidung von Gruppe und Organisation ist sinnvoll, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass in allen Untereinheiten einer Organisation dieselben Werte und Ziele anzutreffen sind, wie sie für die gesamte Organisation gelten. Mitarbeiter mit hohem P-G Fit sind im Gegensatz zu Mitarbeitern mit hohem P-O Fit zum Beispiel nicht generell flexibel versetzbar.
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Bildquelle: OpenAI. (2024). Person-Organization und Personalauswahl [Digital image created with DALL-E]. Retrieved from https://openai.com/