Positive Psychologie & 360 Grad Feedback – leider inkompatibel?
Ein Hinweises von einem ehemaligen Kollegen (Danke Micha!) führte mich zu diesem Blog-Artikel. Die Autorin, selbst als Coach in Australien tätig, diskutiert die 360°-Feedback-Methode vor dem Hintergrund der Grundideen der „Positiven Psychologie“.
Positive Psychologie, was ist das?
In gewisser Weise handelt es sich bei der „Positiven Psychologie“ um einen Beratungsansatz, der sehr konsequent auf die Stärken von Menschen oder Organisationen setzt und Vergangenheit und Optimierungsbereiche ausblendet. Die Positive Psychologie geht ferner auch (mehr oder weniger) davon aus, dass Menschen sich nicht wesentlich ändern werden. Daher ist es aus dieser Perspektive nicht sonderlich zielführend, sich mit den eigenen Schwächen auseinanderzusetzen. Viel gewinnbringender ist es, die eigenen Stärken zu nutzen, statt Energie auf anderes zu verschwenden. So die positive Psychologie…
360° Feedback generiert auch Kritik
Das 360° Feedback generiert jedoch naturgemäß auch kritische Rückmeldungen. Es passt also nicht in das Weltbild der Positiven Psychologie. Die Autorin hält jedoch dagegen und formuliert vier Argumente, die ich genauso unterschreiben würde. Daher fasse ich sie an dieser Stelle kurz auf Deutsch zusammen.
Argument 1: Niemand weiß exakt, welches die eigenen Stärken sind
Menschen neigen häufig dazu, die eigenen Fähigkeiten ganz falsch einzuschätzen. Ein Beispiel hatte ich hier schon beschrieben.
Argument 2: Stärken können zu Schwächen werden, wenn Sie übermäßig eingesetzt werden
Der situative Führungsansatz ist ein gutes Beispiel dafür, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliches Führungsverhalten benötigen. Es hilft dann vielleicht der Führungskraft selbst, sich ausschließlich auf die eigenen Stärken/Präferenzen zu konzentrieren, die Teamperformance ist dann jedoch in Gefahr.
Argument 3: Manche Menschen sind besonders durch kritisches/korrigierendes Feedback zu motivieren.
Studien zeigen: Insbesondere überraschendes kritisches Feedback wirkt positiv, wenn es im Ergebnis hilft, sich bedeutsam zu verbessern/verändern. Deswegen sollte Feedback möglichst konkrete Hinweise enthalten, was verändert werden kann und welche Effekte damit verbunden sein können.
Argument 4: Menschen können sich doch ändern!
Forschungsergebnisse unterschiedlicher Fachrichtungen belegen immer wieder, dass Menschen sich ändern können. In der Psychologie wissen wir zwar, dass bestimmte Persönlichkeitseigenschaften relativ zeitstabil sind, nicht jedoch Verhaltensweisen. Hier scheint mir die Positive Psychologie ein etwas negatives Menschenbild zu haben… Tatsächlich können wir aber wohl davon ausgehen, dass manche Menschen von Natur aus eine größere Lust verspüren, sich weiterzuentwickeln, als andere. Allerdings ist dies wahrscheinlich auch ein Ergebnis des Arbeitsumfeldes und der dort geltenden Erwartungen und Normen.
Die Autorin meint daher, dass die 360° Methode die Haltung der Positiven Psychologie ergänzen sollte. Das denke ich auch.