Sinnerfüllte Arbeit – Erkenntnisse eines Literatur-Reviews
Engagierte Angestellte gibt es nicht allein für ein faires Gehalt. Die Rahmenbedingungen müssen bekanntlich ebenfalls passen. Eine weitgehend unbestrittene Zutat hochmotivierter Mitarbeit ist das Erkennen von Sinn im eigenen Handeln. Es geht also darum, dass Menschen ihre Arbeit als bedeutsam erleben – als Beitrag zu einem größeren Ganzen. Als etwas, auf das man stolz sein kann. Zumindest sollte die eigene Arbeit nicht als nutzlos oder belanglos wahrgenommen werden – soviel ist mal sicher. Wenn wir doch nur wüssten, wie wir die Voraussetzungen dafür schaffen könnten! Wissen wir nicht? Doch: Dr. Evgenia I. Lysova vom Amsterdam Business Research Institute und ihre Kolleg:innen haben den Stand der Forschung in einem lesenswerten Beitrag „Fostering meaningful work in organizations“ (kostenfreier Download) zusammengefasst, der 2019 im Journal of Vocational Behavior erschienen ist.
Die Analyse der Autor:innen bezieht Veröffentlichungen zwischen 1998 und 2017 ein und unterscheidet nach relevanten Faktoren auf der Ebene des Individuums, des Jobs, der Organisation sowie der Gesellschaft.
Individuelle Faktoren
In diversen Studien werden geringe bis moderate Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen (z.B. Extraversion (positive Korrelation) und Ängstlichkeit (negative Korrelation)) und dem Erleben von Sinn beim Arbeiten berichtet. Leistungsträger scheinen eher Sinn in ihrem Tun zu erkennen als Low-Performer. Und wer persönliche Talente und Stärken im Job einbringen kann, ist tendenziell auch eher von der Bedeutsamkeit seiner Arbeit überzeugt.
Es scheint auch hilfreich, wenn Menschen eine kausale Beziehung zwischen ihrer Arbeit und dem Aufbau persönlicher Kompetenzen, dem Erreichen von Autonomie, Status oder Macht sehen. Sie sind dann eher intrinsisch motiviert. Auch das Gefühl anderen zu helfen oder einen Beitrag zu einer größeren guten Sache beizutragen führt zu beruflichem Sinnerleben.
Andere Studien haben dargelegt, wie persönliche Narrative (Erzählungen) einen Beitrag dazu leisten, die eigene Laufbahn als Berufung zu sehen.
Job-Faktoren
Wieder andere Forscher haben untersucht, wie die Merkmale von Jobs mit deren erlebter Bedeutsamkeit zusammenhängen. Positive Zusammenhänge finden sich zum Beispiel zu „sicheren und fairen Arbeitsbedingungen“. Interessanterweise sind es eher die Menschen mit „weißem Hemdkragen“ (Management, Verwaltung,…) als die im „Blaumann“ (Arbeiter, Produktion, …), die ihre Arbeit als sinnerfüllt erleben.
Unzureichende individuelle Entwicklungsmöglichkeiten (Karriereoptionen) sowie Unterbeschäftigung stehen hingegen in einem negativen Zusammenhang zu sinnerfüllter Arbeit.
Arbeitgeber können dazu beitragen, dass Mitarbeiter ihre Beschäftigung als bedeutsam erleben, indem sie erlauben und ermöglichen, die eigenen Arbeitsplätze/Tätigkeiten so umzugestalten/auszuleben, dass deren prosoziale Wirkung optimiert wird.
Organisationsfaktoren
Führung: Von zentraler Bedeutung sind die Führungskräfte bzw. das Führungsverständnis als Ganzes auf der Ebene der Organisation. Studien finden positive Zusammenhänge zu:
- Transformationaler Führung(+)
- Führung auf Grundlage ethischer Überlegungen (+)
- Befähigende Führung (Empowerment) (+)
- Kommunikation der Unternehmensmission (+)
- Führungskräfte als Sinnstifter (+)
Organisationskultur: Hinsichtlich der vorherrschenden Organisationskultur sind flache Hierarchien im Vorteil und innovative und sich gegenseitig unterstützende kooperative Strukturen sind hilfreich. Auch Konzepte wie Corporate Social Responsibility (CSR) sowie HR-Initiativen zur Personalentwicklung und Steigerung des Mitarbeiterengagements haben laut diverser Studien einen förderlichen Einfluss auf die Bedeutsamkeitswahrnehmung der eigene Arbeit. Auf zwischenmenschlicher Ebene sind es einzelne freundschaftliche Beziehungen zu Kollegen sowie insgesamt ein von Vertrauen und Respekt geprägtes Arbeitsklima, was sich positiv auswirkt.
Gesellschaftliche Faktoren
Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene benennen die Autoren zwei wesentliche Aspekte. Zum einen scheint es relevant, wie der Zugang zu menschenwürdiger Arbeit im gesellschaftlichen Umfeld grundsätzlich gegeben ist. Zum anderen sind es kulturelle Normen, die sich auf das Erleben von Sinn in der Arbeit auswirken. Beispielsweise können wir davon ausgehen, dass für Menschen aus individualistisch geprägten (westlichen) Gesellschaften andere Regeln gelten als für Menschen aus kollektivistisch geprägten Kulturen.
Der/dem geneigten Organisationsentwickler/in bietet das somit angerissene Review ein Füllhorn an evidenzbasierten Ansatzpunkten, um gestalterisch auf die Rahmenbedingungen von Arbeit einzuwirken und zugleich ist der Beitrag eine Handreichung zur argumentativen Unterfütterung der eigenen Position im Diskurs mit andersdenkenden Managern.
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Literatur:
Lysova, E. I., Allan, B. A., Dik, B. J., Duffy, R. D., & Steger, M. F. (2019). Fostering meaningful work in organizations: A multi-level review and integration. Journal of Vocational Behavior, 110(Part B), 374-389. https://doi.org/10.1016/j.jvb.2018.07.004
Foto: Danica Tanjutco on Unsplash