
Warum Sie nicht mit negativem Feedback umgehen können
Sie kennen die Situation? Ein Kollege oder ihr Chef (oder ihr Partner) möchte mit Ihnen reden. Sie sind ja nicht doof, wissen genau das irgendetwas nicht stimmt. Trotzdem vernehmen Sie Lob für dies und Anerkennung für jenes. Sie hören aber gar nicht richtig zu. Und dann kommt es: Das Wörtchen ‚aber‘. Während Sie nun weiter zuhören, fühlen Sie eine Kaskade negativer Emotionen in sich. Richtig?
Ein Teil von Ihnen fühlt sich wütend, zu unrecht kritisiert. Ein anderer Teil fühlt sich verletzt und unzulänglich. Vielleicht überwiegt bei Ihnen das eine oder andere Gefühl. Auf jeden Fall sind Sie ab jetzt damit beschäftigt, Ihr Selbstwertgefühl wieder herzustellen. Eine konstruktiv-offene Haltung fühlt sich anders an… Immer noch richtig?
Irgendwie kennen wir das alle in der ein oder anderen Situation. Und die wenigsten von uns haben herausgefunden, wie sie souveräner mit korrigierendem/negativem Feedback umgehen können. Es gibt sogar eine Untersuchung von Green, Gino, und Staats (2017), die Hinweise darauf gibt, dass wir ganz gezielt Menschen in unserem Arbeitsumfeld meiden, die eher dazu neigen, an uns konstruktive Kritik zu üben. Wir verändern daraufhin gezielt unser Soziales Netzwerk!
Die Konsequenz ist auf der einen Seite zwar die, dass wir unser Selbstwertgefühl auf diese Weise nicht gefährden, auf der anderen Seite nehmen wir uns aber auch Chancen zu persönlichem Wachstum. Andere Studien belegen, dass Menschen beruflich erfolgreicher sind, wenn Sie sich Kritik aussetzen und dieser offen begegnen. Zum Beispiel haben Spreitzer, McCall und Mahoney (1997) nachweisen können, dass erfolgreiche Führungskräfte nach Gelegenheiten zum Lernen suchen, offen für Feedback sind und Kritik für die eigene Entwicklung nutzen.
Der gekonnte Umgang mit konstruktiver Kritik ist jedoch leichter gesagt als getan. In der Tat, manchmal fühlt es sich unmöglich an. Nehmen wir uns einen Moment Zeit und überlegen wir, warum das so ist….
Warum ist das so?
1. Unser Gehirn ist so „verdrahtet“
Martin Paulus behauptet, dass die Gründe, warum wir so schlecht auf negatives Feedback reagieren, auf den Teil unseres Gehirns zurückzuführen sind, der Amygdala genannt wird. Es ist so, dass die Amygdala eine große Rolle in unserer Kampf- oder Fluchtreaktion spielt. Wenngleich es eher unwahrscheinlich ist, dass ein Feedbackgeber Sie körperlich angehen wird, gibt Ihnen Ihre Amygdala das Gefühl, dass Sie in Gefahr sind. Neurowissenschaftliche Studien unterstützen diese Beobachtung. Emotionale Verletzung und Zurückweisung, wie sie in sozialen Bewertungssituationen – also bei negativem Feedback – auftreten können, rufen übrigens neurophysiologisch betrachtet die gleichen Reaktionen hervor wie körperlicher Schmerz (Chen, Williams, Fitness, & Newton, 2008; DeWall et al., 2010).
2. Sozialisierung
Hinzu kommen Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben. Vielleicht haben Sie bereits in Ihrer Kindheit selten ein Positiverlebnis in Zusammenhang mit negativem Feedback gehabt. Vielleicht gab es in Ihrer Familie kein „gutes Verhaltensmodell“.
Wie auch immer. Lassen Sie uns jetzt überlegen, wie Sie besser auf konstruktiv-kritische Rückmeldungen reagieren können, auch wenn es nicht ihr natürlicher Reflex ist.
Alternative Reaktionen auf negatives Feedback
A) Reframing – Feedback als Chance
Sie sollten immer um Feedback bitten, wenn ein Chef, Kollege, Kunde, Freund oder Partner Unzufriedenheit signalisiert. Bill Gates hat wohl mal gesagt, dass „Ihre unzufriedensten Kunden Ihre größte Quelle des Lernens sind“.
Auch, wenn es schwer fällt: Versuchen Sie Feedback nicht als generelle Ablehnung Ihrer Person zu verstehen und ergreifen Sie häufiger selbst die Initiative. Vielen Menschen fällt es dann einfacher, sich nicht in einer Opferrolle zu erleben. So behalten Sie das Heft des Handelns in der Hand!
Machen Sie Feedbackschleifen für sich zur Gewohnheit!
B) Offene Fragen stellen
Sie zeigen denjenigen die Sie kritisieren, dass Sie ihr Feedback hören, indem Sie ihnen dazu Fragen stellen. Außerdem erlauben Ihnen die Fragen, mehr darüber zu erfahren, warum Sie im Kern kritisiert werden. Sie glauben ja nicht, wie häufig es da Missverständnisse gibt.
Offene Fragen zu stellen ist der beste Weg, um diese Informationen zu erfahren. Einfache Ja- und Nein-Fragen zeigen, dass Sie zuhören, aber nicht aktiv nach neuen Informationen suchen. Fragen Sie zum Beispiel „Könnten Sie ein Beispiel dafür nennen, wie ich das in Zukunft machen soll?“.
Sie werden feststellen, dass diese Art von Gesprächen für alle Beteiligte zufriedenstellender verlaufen.
C) Verabschieden Sie sich davon, Fehler als „schlecht“ zu werten
Haben Sie vielleicht auch den inneren Antreiber „Ich darf keine Fehler machen“? Fehler passieren und sind unvermeidbar! Wenn Sie sich nicht über Kritik und Fehler ärgern, werden Sie sich positiver fühlen und bereit sein, in Zukunft mit ähnlichen Situationen anders umzugehen.
Ein entspannter Umgang mit Fehlern (eigene und die anderer) ist ganz wesentlich für Erfolg. Suchen Sie nicht nach Schuld sondern nach Lösungen für die Zukunft. Helfen Sie auf diese Weise auch mit, die fehlerkultur in Ihrem unternehmen positiv zu beeinflussen.
Fazit
Vielleicht helfen Ihnen unsere kleine Tipps als Inspiration in Zukunft besser mit negativem Feedback umgehen zu können. Vieles hat tatsächlich mit Ihrer Haltung und Einsetllung zu tun. Diese können Sie bis zu einem bestimmten Grad selbst beeinflussen. Manchmal kann auch ein Coaching unterstützen.
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Titelfoto: Thomas Leuthard, Lizenz: CC BY 2.0
Weitere verwendete Literatur:
- Chen, Z., Williams, K. D., Fitness, J., & Newton, N. C. (2008). When hurt will not heal: Exploring the capacity to relive social and physical pain. Psychological Science, 19(8), 789–795.
- DeWall, C. N., MacDonald, G., Webster, G. D., Masten, C. L., Baumeister, R. F., Powell, C., & Eisenberger, N. I. (2010). Acetaminophen Reduces Social Pain: Behavioral and Neural Evidence. Psychological Science, 21(7), 931–937.
- Spreitzer, G. M., McCall, M. W., & Mahoney, J. D. (1997). Early identification of international executive potential. Journal of Applied Psychology.