Warum wir immerzu alles und jeden kritisieren
Menschen, die häufig Kritik äußern, haben in den meisten Fällen durchaus verstanden, dass Kritik nicht funktioniert. Warum kritisieren sie trotzdem immer weiter, obwohl sie eigentlich längst hätten frustriert aufgeben müssen?
In diesem Artikel verfolge ich die Auffassung, dass es sich beim Kritisieren um nichts anderes als ein selbstwertschützendes Verhalten handelt. Viele Menschen kritisieren nicht, weil sie mit einem Verhalten nicht einverstanden sind oder eine Einstellung nicht teilen. Sie kritisieren, weil sie sich durch eben dieses Verhalten oder diese Einstellung abgewertet fühlen. Kritische Menschen tendieren dazu, leicht beleidigt zu sein und haben ein starkes Bedürfnis zum Selbstwertschutz.
Die Ursachen liegen in der Kindheit
Es gibt einige Psychologen, die die Meinung vertreten, dass kritische Menschen sehr häufig selbst in ihrer Kindheit von Eltern und anderen wichtigen Personen kritisiert wurden. In jungen Jahren kann diese Kritik besonders schmerzlich sein. Kinder sind noch nicht in der Lage, Kritik an ihrem Verhalten von gänzlicher Zurückweisung ihrer Person zu unterscheiden. Dabei hilft es auch nicht sonderlich, wenn Eltern sich bemühen, zwischen beidem zu unterscheiden: „Du bist ein gutes Mädchen, aber was du gerade getan hast, das ist schlecht…“. Das Kind fühlt sich so oder so minderwertig.
Im Verlauf der kindlichen Entwicklung versuchen diese Kinder häufig, den emotionalen Schmerz zu kontrollieren, indem sie besonders selbstkritisch werden. Denn selbst zugefügter Schmerz ist allemal besser als unvorhersehbare Zurückweisungen durch wichtige/geliebte Bezugspersonen.
Im frühen Erwachsenenalter beginnen diese Kinder sich dann mit den kritisierenden Erwachsenen zu identifizieren und werden selbst zu Menschen, die andere kritisieren.
So hart und unerbittlich die erwachsenen Kritisierer zu anderen sind, sind diese Menschen meist auch zu sich selbst. Die meisten besonders kritischen Menschen sind auch sehr selbstkritisch! Erkennt sich hier jemand wieder?
Foto: Luis Marina (CC BY 2.0)