Wie man zu Führungskräften mit Feedback durchdringt
Rainer Neubauer und René Kusch haben in der Wirtschaftspsychologie aktuell, dem offiziellen Magazin der Wirtschaftspsychologen im BDP, einen Beitrag mit dem Titel „Feedback bei Managern: Erst ärgern, dann ändern“ geschrieben.
Der Titel ist vielleicht etwas irreführend. Es geht nicht etwa um eine Anleitung für Mitarbeiter, wie sie Einfluss auf ihre Chefs nehmen können. Vielmehr soll der Beitrag hervorheben, worauf Coaches achten müssen, wenn sie einer Führungskraft ein Feedback geben. Fassen wir also mal zusammen, was die Autoren an Kernbotschaften dem Leser mitgeben möchten.
Die Verfasser weisen uns darauf hin, dass wir als Coaches zunächst verstehen müssen, mit welchen Typ Manager wir es zu tun haben. Wir bekommen konkrete Empfehlungen:
Reagiert ein Manager gelassen auf die Rückmeldung aus seinem Umfeld, dann können wir zuversichtlich sein, dass er mit seinem Feedback tatsächlich etwas anfängt und dieses konstruktiv für sich nutzt. Reagiert er aber abwehrend, dann ist er eventuell überempfindlich und in dieser frühen Phase schlicht noch nicht bereit für die schonungslose Wahrheit.
Im zweiten Schritt, der Feedbackanalyse, sind jene Führungskräfte eher nicht bereit sich zu verbessern, die das Feedback sehr persönlich nehmen. Nun gut. Nur wer sich inhaltlich mit seinem Feedback auseinandersetzt (Schritt 3), wird sich persönlich weiterentwickeln können.
Die Autoren geben uns hier einen Tip mit auf den Weg: Die Alpha-Tiere unter den Managern haben nach ihrer Auffassung die Tendenz, erst einmal abwehrend und emotional mit der Kritik umzugehen. Später aber sind sie es, die in sich gehen und sich konstruktiv mit dem Feedback auseinandersetzen. Die Alpha-Tiere verorten die beiden Autoren übrigens vermehrt im Top-Management.
Das Middle-Management sei hingegen häufig zunächst verständnisvoll. Allerdings bedeute dies keinesfalls, dass diese Führungskräfte sich in der dritten Phase, also der Phase der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Feedback, auch tatsächlich damit beschäftigen. Die Autoren warnen uns, uns nicht von diesem sozial erwünschten Verhalten beeindrucken zu lassen.
Kommentar
Wir wollen hier nicht über den Mehrwert des Artikels für Coaches urteilen. Das soll jeder für sich selbst beurteilen. Allerdings denken wir schon, dass die Autoren hier eine unzulässige Typologie zugrundelegen. Und einen ganz wichtigen Aspekt sprechen sie überhaupt nicht an: Eine abwehrende Reaktion auf ein Feedback kann auch ganz schlicht damit zu tun haben, dass das Feedback nicht den Kern trifft, vielleicht eine Einzelmeinung darstellt. Wir denken, dass viele heute praktizierte 360°-Systeme nicht optimale Ergebnisse erzielen und dies der Hauptgrund dafür ist, wenn ein Feedback nicht die notwendige Akzeptanz findet. Darüber hinaus ist es in der Tat abhängig von den Fähigkeiten des Coaches, im Gespräch den richtigen Zugang zu finden. In der Praxis sind es allerdings deutlich mehr Variablen, die erfahrene Coaches in Feedbackprozessen berücksichtigen müssen.
Wir haben unsere 360°-Methodik, die wir aktuell für den Best-Practice-Standard halten, an dieser Stelle beschrieben und freuen uns über einen aktiven Austausch – gerne hier im Blog oder auch in den sozialen Medien.
Bild: Sinistra Ecologia Libertà (CC BY 2.0)
Quelle: Wirtschaftspsychologie aktuell