Wie wirkt anonymes Feedback? – Ergebnisse unserer Studie
Für eine Bachelorarbeit an der Hochschule Fresenius (Köln) habe ich vor ein paar Monaten eine relativ simple Web-Anwendung entwickelt, die es im beruflichen Kontext ermöglichen soll, Kollegen oder Vorgesetzten ein anonymes Feedback zu geben. Dieser funktionell noch limitierte Prototyp ist bereits fertiggestellt. Es gibt auch schon eine Landingpage. Ich plane, dieses Projekt im wissenschaftlichen Kontext weiter zu führen. Wer über den Fortschritt informiert werden möchte, kann auf feedbackloops.de seine E-Mail hinterlassen.
Jetzt liegen mir die Ergebnisse der Bachelor-Arbeit (Töpfer, M., 2013) vor. Als zentrale Frage für diese Untersuchung hat uns interessiert, wie anonymes Feedback bei den Adressaten ankommt/wirkt. Immerhin ist Feedback per se nicht grundsätzlich für jeden ein ausnahmslos positives Erlebnis. Viele Menschen tun sich bekanntlich schwer damit. Was geht also in potenziellen Feedbackempfängern vor, wenn sie eine Rückmeldung zur eigenen Person erhalten, die sie zudem auch noch ohne Absender erreicht? Die Studie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, ob die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu ändern, davon abhängt, ob das Feedback anonym oder eben unter kompletter Offenlegung der Identität des Feedbackgebers gegeben wird.
Studie: Wie wirkt anonymes Feedback?
Die Autorin verfolgt die Hypothese, dass die Probanden auf ein anonymes Feedback hin weniger motiviert sind, ihr Verhalten zukünftig zu verändern als dann, wenn der Feedbackgeber identifizierbar ist. Zusätzlich untersucht sie die schriftliche Reaktion der Versuchspersonen auf das zuvor erhaltene Feedback. Sie prognostiziert, dass die schriftliche Reaktion auf ein anonymes Feedback von geringerer Qualität ist als auf nicht-anonymes Feedback. Methodisch lässt sie diese „Qualität“ von zwei voneinander unabhängig agierenden Assessoren einschätzen. Diese bewerten alle Texte dahingehend, ob die Reaktion wertschätzend, mit Dank formuliert, auf den Inhalt des Feedbacks eingehend, das Feedback annehmend, die Initiative ergreifend sowie allgemein akzeptierend formuliert ist.
Die Stichprobe umfasst 142 Teilnehmer und besteht erfreulicherweise nicht ausschließlich aus Studierenden der Fachrichtung Psychologie, wie dies in vielen anderen Studien so oft der Fall ist. Trotzdem erhebt die Stichprobe keinen Anspruch auf Repräsentativität, so dass die folgenden Ergebnisse vor dem Hintergrund des explorativen Charakters der Bachelorarbeit interpretiert werden sollten.
Ergebnisse
87% der befragten Personen geben an, dass sie ein Feedback besser finden, wenn sie die Identität des Feedbackgebers kennen. Dies ist aus der Perspektive der Feedbackempfänger nachvollziehbar, denn ein anonymes Feedback würde sie mit einer Unsicherheit zurücklassen. Und Unsicherheit, die mögen viele Menschen nicht. Vermutlich spielen in dieses Ergebnis auch die Gedanken mit hinein, dass man glaubt, bei einem identifizierbaren Feedbackgeber a) die Aussagekraft/Relevanz des Feedbacks besser einschätzen zu können und b) ggf. unmittelbarer im Nachgang auf den Feedbackgeber einwirken, geeignete Lösungen finden und ggf. Nachfragen stellen zu können.
Unter anderem fragt die Autorin ihre Probanden auch, ob diese in der Praxis auf ein anonymes Feedback bzw. auf ein nicht-anonymes Feedback antworten würden. Die Antwortverteilung auf beide Fragen zeigt die folgende Abbildung.
Es zeigt sich, dass die Befragten fast ausnahmslos auf ein nicht anonymes Feedback antworten würden. Wenn das Feedback über einen Anonymisierungsdienst (wie feedbackloops.de) vermittelt wird, sind deutlich weniger Studienteilnehmer zu einer Antwort bereit. Die Mittelwertsunterschiede beider Verteilungen sind hochsignifikant (p < .001).
Hinsichtlich der „Qualität“ der Reaktionen auf das im Rahmen der Studie fingierte Feedback findet Frau Töpfer ebenfalls ein signifikantes Ergebnis: Auf Feedback, das einen Absender enthält, schreiben die Probanden mehr Text. Dieser ist wertschätzender formuliert, sie bedanken sich häufiger für das Feedback, beziehen sich mit ihrer Antwort unmittelbarer auf das erhaltene Feedback und deuten stärker an, dass sie das Feedback akzeptieren.
Fazit
Es gilt zu berücksichtigen, dass die hier berichteten Ergebnisse nur eine Teilmenge der insgesamt untersuchten Fragestellungen der Arbeit wiedergeben. Es zeigt sich jedoch, dass aus Feedbackempfängersicht ein offenes Feedback deutlich präferiert wird. Das ist erwartungskonform. Das Bedürfnis nach Anonymität kommt sicherlich auch eher von potenziellen Feedbackgebern, die sich dem mit einem Feedback möglicherweise verbundenen Konflikt lieber nicht stellen möchten und im Zweifel ihr Feedback stattdessen für sich behalten. Grundsätzlich gilt es daher (bei allen Feedbackinstrumenten) die unterschiedlichsten Interessen aller Beteiligter unter einen Hut zu bringen. Wahrscheinlich ist es aus Unternehmenssicht im Zweifel sogar wichtiger, dass ein kritisches Feedback überhaupt formuliert wird. Die Akzeptanz für das Feedback beim Feedbackempfänger ist ein zweites wichtiges Ziel, damit relevantes Feedback nicht am emotinalen Widerstand des Empfängers scheitert. Für die weitere Entwicklung von feedbackloops.de bedeutet dies konkret, dass die Plattform unterstützende Maßnahmen bieten muss. Diese sollen der (zumindest anfänglich) zu erwartenden ablehnenden Haltung gegenüber anonymem Feedback etwas entgegen setzen. Weitere empirische Studien werden daher zu diesem Themenkomplex folgen.
PS: Für Interessierte anbei der R-Code zur Erstellung der verwendeten Grafik
[sourcecode language=“r“]
FB_anonym <- c(22,12,22,18,22,31,14)
FB_identifizierbar <- c(5, 1, 0, 1, 7, 34, 94)
skala <- c(„trifft nnicht zu (1)“, seq(2, 6), „trifft zu (7)“)
par(mfrow=c(1,2))
barplot(FB_anonym, main=“Ich würde auf anonymes Feedback antworten…“,
ylab=“Anzahl der Antworten“,
ylim = c(0, 100),
names = skala)
barplot(FB_identifizierbar, main=“Ich würde auf identifizierbares Feedback antworten…“,
ylab=“Anzahl der Antworten“,
ylim = c(0, 100),
names = skala)
[/sourcecode]
Literatur:
Töpfer, M. (2013). Feedbackloops – Wirkung von Feedback auf die Motivation und das Verhalten von Mitarbeitern. Bachelorarbeit. Köln, Hochschule Fresenius.