
Studienergebnis: „Liebe Chefs, Feedback bitte gut begründen und konkrete Verhaltensalternativen vorschlagen…“
Jennifer Rustige hat ihre Diplomarbeit publiziert. Es geht in ihrer Untersuchung um die Wirksamkeit von Feedbackregeln. Ich muss sicher nicht betonen, dass Feedback zu den wirksamsten Mechanismen der Führung von Mitarbeitern gehört.
Dies ist allgemein bekannt und ich wüsste niemanden, der hier nicht nicken würde. Auf der anderen Seite ist nicht jedes Feedback ein „gutes“ Feedback. Und lange nicht jedes Feedback nimmt sich der/die Feedbackempfänger(in) so zu Herzen, dass es zu einer Verhaltensänderung führt. Deswegen sind die Ergebnisse dieser Studie wichtig, denn sie münden in einer klaren Empfehlung, wie Feedback formuliert sein sollte.
Die Stichprobe von Jennifer ist recht umfangreich. 1000 Mitarbeiter(innen) einer Kreisbehörde haben an der Studie teilgenommen. Zunächst hatten alle ein Beurteilungsgespräch mit dem/der Vorgesetzten, in dem die Leistungen der Vergangenheit bewertet wurden. Im Anschluss wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Der Fragebogen erfasste…
a) welche „Feedbackregeln“ der/die Vorgesetzte beim Bewerten berücksichtigte und
b) die Wirkung auf den Mitarbeiter. Ganz konkret wurden die folgenden drei Ergebnisvariablen erfragt:
1. Zufriedenheit (mit dem Gespräch)
2. Akzeptanz (der Beurteilung)
3. Absicht, das eigene Verhalten zu ändern
Sandwichmethode
Sprich zuerst Dinge an, die gut gelaufen sind. Bespreche dann Ergebnisse und Verhalten, mit denen du nicht zufrieden bist. Schließe mit einem Punkt ab, der gut lief oder laufen wird.
Gut begründen (TOP!)
Bewerte die Ergebnisse eindeutig positiv oder negativ. Begründe dann gut und klar, warum du zu dieser Bewertung gelangt bist.
Beispiele verwenden
Bewerte die Ergebnisse eindeutig positiv oder negativ. Mache die Bewertung an Beispielen aus dem Arbeitsalltag deutlich.
Fragen zulassen
Bespreche und bewerte Ergebnisse wie Verhalten. Lasse Rückfragen des Gegenübers zu oder fordere dazu auf und beantworte sie ausführlich.
Verhalten vorschlagen (TOP!)
Bewerte die Ergebnisse. Schlage dann Verhaltensweisen vor, mit denen die Ergebnisse verbessert werden können.
Studienergebnisse (in Kurzform):
Die Zufriedenheit und die Akzeptanz der Mitarbeiter hängen im Wesentlichen davon ab, ob der/die Chef(in) die Beurteilung gut begründet. Effekte, ob die Bewertung positiv oder negativ war, wurden von Jennifer statistisch eliminiert.
Die Absicht, das eigene Verhalten zukünftig zu verändern, steigt mit der Anzahl vorgeschlagener alternativer Verhaltensweisen.
Das Verwenden von Beispielen ist weniger bedeutsam. Das hätten vielleicht nicht alle psychologisch gebildeten Leser dieses Blogs erwartet, oder? Ferner waren die „Sandwichmethode“ und „Fragen zulassen“ in dieser Studie praktisch irrelevant.
Literatur:
Uwe Peter Kanning & Jennifer Rustige (2012). Der Stellenwert von Feedback-Regeln aus empirischer Sicht. Personalführung, 5/2012, 24-31.
Foto: freeparking 😐
Interessante Studie, danke für die Zusammenfassung, Stephan!
Dass die Sandwich-Methode irrelevant ist, überrascht mich nicht. Wie oft hört man mittlerweile den Satz „Ich weiß ja, wie ich Feedback geben muss“ nur um danach zu erfahren, dass sich der Feedbackgeber üblicherweise noch zwei „positive“ Rückmeldungen ausdenkt, damit die „negative“ Rückmeldung auch zwischen zwei Brotscheiben passt…
Für mich machen die Studienergebnisse Sinn: einen Grund zu erfahren für das erhaltene Feedback und anschließend konstruktive Verhaltensalternativen aufgezeigt zu bekommen, halte ich für eine effektive Vorgehensweise.
Trotzdem spielt mir dabei folgende Punkte noch nicht genug mit rein, die auch entscheidend für das Befolgen des Feedbacks sein könnten:
– welche Erfahrungen hat der Feedbackempfänger bisher mit dem Befolgen von Feedback seines Chefs gemacht? Wurde es bemerkt und danach gelobt oder eher als notwendig betrachtet und übersehen?
– von welchen Personen nimmt der Mitarbeiter lieber/einfacher Feedback an und verändert sich? Und warum gerade von diesen Personen? (Respekt? Vorbildfunktion? Selbstkritische Person, die auch stark an sich selbst arbeitet und nicht nur andere kritisiert? …)
– kommt das Feedback zeitnah oder kann der Mitarbeiter es vielleicht gar nicht mehr richtig zuordnen?
– wie sehen die Folgen aus für eine Nichtbefolgung des Feedbacks?
Alleine an den Überlegungen zeigt sich für mich schon, wie spannend das Thema Feedback immer noch ist! 😉
Liebe Grüße,
Michael
Stimme dir zu, Micha: spannender Beitrag. Danke, Stephan!
Hmh, was mich noch nicht 100ig überzeugt: wo konkret liegt der Unterschied in Operationalisierung und Vorgehen bei a) begründen vs. b) Beispiele geben???? Gibt es da nicht eine große kaum trennbare Schnittmenge? Oder folgen die Studienergebnisse tatsächlich dem sozialpsychologischen Prinzip, dass du alles kriegen kannst, Hauptsache du lieferst überhaupt irgendeine (vermeintlich) Begründung – frei nach dem Motto: Schlange am Kopierer und ich werde vorgelassen, weil ich sage: „lasst mich vor, weil ich muss kopieren“ ??!
Die gleiche Frage habe ich mir auch gestellt. 🙂