Work hard – play hard
Work Hard, Play Hard, ist das Langfilmdebüt der deutschen Regisseurin Carmen Losmann. Es geht um die Zukunft der Arbeit in der postindustriellen Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft, in der der Mensch zum erfolgskritischen Faktor geworden ist. Der Film zeigt anhand einiger konkreter Beispiele, wie namenhafte Firmen versuchen durch Maßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung auf Leistung und Engagement ihrer Mitarbeiter Einfluss zu nehmen. Ich betrachte den Film durch die Augen des beratend tätigen Wirtschaftspsychologen – und das ist auch gut so, denn ohne berufliches Interesse hätte ich wahrscheinlich nicht bis zum Ende durchgehalten…
Zuerst kommt das Beratungsunternehmen Accenture zu Wort. Man stellt ein „Shared Desk“- bzw. „Flexible Office“-Konzept vor und nennt es „hoteling“, weil Mitarbeiter an allen Standorten von accenture wie in einem Hotel einchecken und dann dort arbeiten können. Es gibt wohl sieben verschiedene Arbeitsplatztypen, die jeder Mitarbeiter via App buchen kann. Das Konzept macht unternehmerisch Sinn, wenn die Mitarbeiter eines Unternehmens die meiste Zeit nicht in den eigenen Büroräumen, sondern bei den Kunden arbeiten.
Dann darf sich das Beratungsunternehmen Kienbaum vorstellen. Wir werden Zeuge eines interviewbasierten Auswahlprozesses für die Funktion eines Marketingmanagers. Methodik und Vorgehen sind absolut realistisch und glaubwürdig. Speziell einer der gezeigten Kandidaten erhält besonders viel Zeit, sich öffentlichkeitswirksam zu blamieren. Ich frage mich, ob der Betroffene wenigstens ein fürstliches Honorar für seinen Auftritt erhalten hat. Verdient hätte er es.
Als nächstes kommt die Deutsche Post mit einem Workshop zur Teamentwicklung ins Bild. Die Folien im Hintergrund sind übrigens erneut von Kienbaum produziert. Ich beginne einen Verdacht zu schöpfen, wie die Regisseurin ihre Firmen für den Film hat gewinnen können. Die nächste Szene zeigt dann ein Call Center. Der Vorgesetzte ruft sein Team zusammen, um die Leistungskennzahlen des letzten Tages bekannt zu geben. Positiv kommt auch er nicht weg. Im Anschluss ist dann das Software-Beratungshaus SAP an der Reihe und stellt sein Talent-Management-Modul vor. Wir sehen eine schicke Vertriebsfolie mit den relevanten Buzzwords. Und zwischendrin gibt der Film immer wieder Einblicke in die Architektur der Unilever Firmenzentrale in Hamburg, die gezielt Oasen abseits des typischen Arbeitsambientes zu schaffen versucht.
Mein Fazit: Es ist ganz offensichtlich, dass die Regisseurin Carmen Losmann mit ihrem Film die „neuen“ subtilen Taktiken der Ausbeutung an den Pranger stellen will. Der einzelne Mitarbeiter scheint gar nicht zu merken, wie ihm geschieht. Dieses filmisch zu untermauern, bedient die Regisseurin sich kühler Farben, verzichtet auf Musik, auf gesprochenen Kommentar und findet einige O-Töne, die betroffene Personen nachträglich wahrscheinlich lieber nicht gesagt hätten. Ich denke, der Film zeigt in gewisser Weise die Realität, aber erschrocken bin ich nicht. Ich frage mich eher, welches Motiv die Firmen und Personen bewogen hat, sich filmen zu lassen. Warum sind eine Hand voll Beratungsunternehmen dermaßen omnipräsent vertreten? Letztlich ist mir die Kernaussage dann auch zu einseitig. Attraktive Rahmenbedingungen für engagierte Arbeit zu schaffen, das ist für mich keine perfide Technik mit hinterlistigem Kalkül. Es gibt sicher viele Menschen, die wünschen sich Arbeitsumfelder, wie sie im Film gezeigt werden. Ein tolles Beispiel liefert übrigens immer wieder Google, wenn ein neues Office eröffnet wird. Googles süße Verführungen zu arbeitssüchtigem Verhalten zeigen diese Fotos des neuen Google Office in Tel Aviv. Viel Spaß, und nicht neidisch werden!