Gamification – Motivationsschub für Geschäftsanwendungen
Unter Gamification verstehen wir den Ansatz, motivationale Elemente aus Computerspielen in Geschäftsanwendungen einzubauen. Mitarbeiter sollen die Software auf diese Weise mit mehr Engagement bedienen. Der Ansatz ist höchst interessant.
Ich befasse mich z.B. aktuell (und schon seit längerem) mit der Frage, wie Unternehmen die Lust auf gegenseitiges „Feedback geben“ verbessern können. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Königsweg zu mehr Zufriedenheit im Job, zu mehr Produktivität und nicht zu letzt auch zu mehr persönlicher Reife in einer entwickelten Feedbackkultur liegt.
Es gibt zahlreiche Befunde die zeigen, dass Gamification positive Resultate erzielt. Die Gefahren liegen in Abnutzungs- und Gewöhnungseffekten. Neben technischen Anforderungen kommen bei der Verwendung von Gamificationelementen insbesondere psychologische Faktoren ins Spiel.
Ich habe vor kurzem einen guten Artikel in der iX (Ausgabe: 9/2012) gelesen, der ein paar interessante Zahlen, Daten Faten zitiert, die ich hier berichten möchte:
– Aufaddiert haben die Spieler von World of Warcraft bereits 5,93 Millionen Jahre in der Fantasy-Welt verbracht
– 5 Millionen Menschen in den USA beschäftigen sich über 40 Stunden pro Woche mit Computerspielen
– 69% aller Volljährigen spielen Videospiele
– 29% der Spieler sind über 50 Jahre alt
– 42% der Spieler sind Frauen
– 46,6% der Beschäftigten lockern mindestens einmal pro Monat mit einem Spiel die Arbeitszeit auf
Ich bin überrascht. Das hätte ich nicht vermutet. Und die iX ist für ihre gründliche Recherche bekannt, so dass ich persönlich die Zahlen erstmal als Fakten akzeptiere. Ich fasse also zusammen: Ein signifikanter Teil der arbeitenden Bevölkerung ist a) mit Spieleprinzipien vertraut und ist b) dadurch motivierbar.
Ebenfalls sehr interessant ist eine Tabelle von Mario Herger, die verschiedene Rahmenbedingungen von Arbeit und Spielen einander gegenüberstellt. An dieser Tabelle ist viel wahres dran:
Spiele | Arbeit | |
Aufgaben | oft wiederholend, aber Spaß | oft wiederholend, aber stumpf |
Feedback | ständig | einmal im Jahr |
Ziele | klar | teilweise klar, vage, widersprüchlich |
Regeln | meist transparent | unklar |
Fehler | erwartet, belohnt | verboten, bestraft |
Status des Nutzers | transparent | intransparent |
Beförderungen | meritokratisch | über Status und Beziehungen |
Meritokratisch meint übrigens eine Gesellschaft, in der jedes Mitglied seine verdiente Position einnimmt. Natürlich ist die Liste von Mario Heger etwas pointiert und sie trifft wohl auch nicht in dieser Form auf jeden Job zu. Aber, ich denke er trifft den Nagel schon auf den Kopf.
Die iX schreibt nachdem einige Reallife-Beispiele berichtet werden: „Der Leser mag sich schon seit einer Weile Fragen, was die Sache nun konkret mit IT zu tun hat, da es ja primär um Psychologie geht. Das sieht jedoch nur auf den ersten Blick so aus. Heutige IT-Systeme eignen sich bestens dazu, Gamification einzuführen und als Mediator zu fungieren. Die explizite Deklaration von Regeln und Zielen sowie sofortiges Feedback sind nur im Zusammenhang mit IT-Systemen überhaupt sinnvoll.“
Ferner diskutieren die beiden Autoren auch ausfürlich die Probleme und Gefahren, die mit dem Einsatz von Speileelementen in Software einhergehen. Gut gedacht ist nicht automatisch auch gut gemacht! So hätten „Betroffene“ durchaus den Verdacht, dass Spielemechanismen bewusst zur Verhaltensmanipulation eingesetzt werden sollen. Dabei sei das primäre Ziel, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter und deren Autonomie zu stärken.
Fazit: Der Beitrag in der iX ist lesenswert. Tatsächlich verdichten sich wohl die Belege, dass Gamificationelemente einen Nutzen für Unternehmen wie auch für Mitarbeiter haben können. Die Implementierung erfordert viel Fingerspitzengefühl und auch psychologische Erfahrung. Speziel im Unternehmen gilt es ein besonderes Augenmerk auf den Datenschutz zu richten und Mitarbeitervertretungen ins Bot zu holen. Ich persönlich denke, das unmittelbare Feedback und die faktische „Fairness“ solcher Systeme sind die wesentlichen Wirkmechanismen. Wir Psychologen wissen das schon lange und im Prinzip ist Gamification auch keineswegs ein neues Prinzip. Ansätze wie „Partizipatives Produktivitätsmanagement“ (PPM) bzw. das „Productivity Measurement and Enhancement System“ (ProMes) sind bereits seit 1983 im Einsatz und bauen auf sehr ähnliche Mechanismen. An dieser Stelle sind die Autoren des iX-Artikels allerdings blank, denn vermutlich kennen Sie die besagte Forschungsrichtung nicht. Unternehmen, die darüber nachdenken, wie Engagement oder Produktivität verbessert werden können, sollten sich daher wohl besser beraten lassen, denn die psychologische Forschung kann sie wahrscheinlich von einigen Fallen und Fettnäpfen bewahren!
Ich freue mich über Feedback in jeder Form. Ob hier als Kommentar oder auf anderem Wege. Treten Sie in Kontakt!
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Bildquelle: OpenAI. (2024). Gamification [Digital image created with DALL-E]. Retrieved from https://openai.com/