Worknote: Remote Assessment Center in Zeiten der Corona-Krise (und danach…)
Einige Unternehmen setzen bei Bewerbern ein bestandenes Assessment Center als Einstellungsbedingung voraus. Und in diesem Blog war schon häufig hier und hier nachzulesen, warum dieses Prozedere aus unserer Sicht ergänzend zu Interview und Testdiagnostik auch sehr sinnvoll ist. Mit Hilfe der sogenannten Taylor-Russel-Tafeln lässt sich der Nutzen der AC-Methode sogar ganz plastisch objektivieren. Aktuell fragen sich jedoch nicht wenige Personalverantwortliche, wie in der Corona-Krise vorgegangen werden sollte.
Können bzw. sollten Assessment Center aktuell als Präsenzveranstaltung stattfinden? Ein ausreichend großer Raum und der Einsatz von Mundschutz könnte ja das Risiko soweit minimieren, dass die Durchführung vertretbar ist. Wir sammeln – wie viele andere gerade auch – unsere eigenen Erfahrungen und berichten in diesem Blog-Beitrag aus unserer Praxis.
Präsenz-Assessment
Wenn man sich für eine Präsenzveranstaltung entscheidet, dann wahrscheinlich mit möglichst wenig beteiligten Personen, also auch mit einer Mindestanzahl an Beobachtern/Bewerten. Die Sitzordnung kann sicher so gewählt werden, dass Abstände möglichst groß sind. Auch Rollenspiele wären denkbar. Tatsächlich haben wir uns bislang in der aktuellen Situation konsequent dagegen entschieden. Die Verweildauer in einem geschlossenen Raum scheint uns selbst bei regelmäßiger Lüftung zu lang. Ein weiteres starkes Contra-Argument ist der Einsatz von Masken, die jedwede Mimik verschleiern. Damit fehlt uns eine zu wesentlicher Basis für eine solide Diagnostik. Der Verzicht die non-verbale Kommunikation ist praktisch ein KO-Kriterium.
Remote-Assessment
Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist der Verzicht auf Präsenz Assessment Center gut durch Online-Testungen und Videokonferenz-Technik zu kompensieren. Wir sehen sogar Vorteile.
Variante A) Alle Teilnehmer sind per Videokonferenz-Software zugeschaltet
Eins vorweg: Gruppen-Verfahren führen wir aktuell nicht durch. Wir beschränken uns derzeit auf Einzel-Assessments. So sitzen Teilnehmer bzw. Teilnehmerin sowie 2-3 Beobachter/Rollenspieler am Laptop und haben folglich eine separate Kamera auf sich gerichtet. Mimik und Gestik sind so sehr gut erkennbar. Einzelne Personen können im Vollbild dargestellt werden, was für Fokus und Beobachtung sehr gut funktioniert. Was aus unserer Sicht ein nicht so optimal wäre, ist ein Setting, bei dem ein Teil der Personen gemeinsam in einem Raum sitzen und von einer Kamera in der Totale gefilmt werden. Dies führt zwangsläufig zu einer unterschiedlichen persönlichen Nähe, was wir versuchen zu vermeiden. Gleiche Bedingungen für alle!
Ebenfalls macht es Sinn, in ein sehr gutes Mikrofon zu investieren. Und selbst so vermeintlich triviale Prozesse, wie die Herausgabe von Instruktionen und Dokumenten müssen neu durchdacht werden. Will man zum Beispiel einen Download ermöglichen, oder das Drucken? In welcher Form führen wir die von uns eingesetzten P- und L-Tests durch? All das sind technisch lösbare Herausforderungen.
Unsere zentrale Kommunikationsplattform ist die eigesetzte Videokonferenzlösung. Bekanntlich gibt es dafür diverse Anbieter. Die Verbindungsqualität ist bei uns bislang immer gut bis sehr gut gewesen. Wir hatten über mehrere Stunden hinweg niemals Abbrüche zu verzeichnen. Aber Garantien gibt einem keiner. Deswegen hatten wir immer einen Plan B in der Hinterhand: Zum einen eine zweite Videokonferenzplattform, zum anderen neben der drahtgebundenen Verbindung auch einen 4G/5G-Hotspot als Fall-back.
Ein uns wichtiges Thema ist übrigens auch der Datenschutz. Grundsätzlich sollte man schon berücksichtigen, dass der eine oder andere (nicht nur amerikanische) Videokonferenzdienst möglicherweise ein Transkript der Gespräche speichert. Technisch ist das auf jeden Fall machbar. Deswegen haben wir einen eigen Videokonferenzserver auf Basis der OpenSource-Software Jitsi. In diesem Fall bleiben alle Daten unter ausschließlich unserer Kontrolle.
Variante B) Nur die Beobachter sind per Videokonferenz zugeschaltet
Was passiert nun aber, wenn eine Bewerberin bzw. ein Bewerber aus diversen Gründen einem Remote Assessment nicht zustimmen möchte. In diesem Fall hat sich ein Mittelweg bewährt. Ein(e) Interviewer(in) trifft sich in diesem Fall mit dem/der Bewerber/in in einem ausreichend großen Raum. Wir verzichten in diesem Setting auf Rollenspiele mit mehr als zwei Personen und arbeiten mit zwei Kameras, die beide Personen getrennt einfangen. Die Beobachter schalten sich per Video dazu und stellen ihre eigene Bild- und Tonübertragung die meiste Zeit ab.
Blick in die Zukunft: Und was kommt nach Corona?
„Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen…“ Aus unserer Sich gibt es aber durchaus gute Gründe, die „Notlösung Remote Assessment Center“ beizubehalten. Wir sparen so Reisezeiten, teils erhebliche Kosten und schonen zu guter letzt auch die Umwelt. 🍀
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