Best Practice 360 Grad Feedback
Best Practice 360 Grad Feedback? Manager geben Mitarbeitern Feedback und diese nutzen diese Rückmeldung, um ihre Arbeit zu verbessern? Schön wäre es, so läuft es aber in der Regel nicht.
Der von Angelo S. DeNisi und Avraham N. Kluger schon im Jahr 2000 in der Zeitschrift „Academy of management Executive“ erschienen Artikel „Feedback effectiveness: Can 360-degree appraisals be improved“ hat von seiner Aktualität nichts verloren und ist daher die Grundlage meines heutigen Beitrags. Die beiden Autoren hatten auch schon 1996 eine Metaanalyse veröffentlicht und festgestellt, dass die Leistung von Mitarbeitern als Reaktion auf ein Feedback in einem Drittel der Fälle nachlässt. Ich hatte über diese Ergebnisse Anfang dieses Jahres an dieser Stelle etwas geschrieben.
In diesem Blog-Artikel werden Implikationen für die Gestaltung von Feedbackprozessen diskutiert. DeNisi und Kluger empfehlen für alle Feedback-Interventionen:
- Den Fokus immer ausschließlich die Aufgabe und die Aufgabenerfüllung legen.
- Nicht das Ego der Person verletzen. Kein Feedback zur Person oder zu Aspekten geben, die das Selbstkonzept der Person betreffen.
- Informationen einfließen lassen, wie die Leistung konkret verbessert werden kann.
- Eine formelle Zielvereinbarung treffen, die sich auf Verhalten in der Zukunft bezieht.
- Konzentration auf Informationen zur Leistungsverbesserung (siehe 3) und nicht auf die Leistung im Vergleich zu anderen.
Speziell der letzte Punkt ist aus meiner Sicht nicht so eindeutig, denn die motivationale Wirkung des sozialen Vergleichs sollte nicht unterschätzt werden.
Weitestgehend aus der im Artikel nachzulesenden Feedbacktheorie abgeleitet, kommen die beiden Autoren zu konkreten Empfehlungen für ein Best Practice von 360° Feedback – Systeme, die ich im Folgenden etwas genauer unter die Lupe nehmen möchte.
360° Feedback sollte nicht die Basis für Karriereentscheidungen sein
Unser Einblick in 360°-Systeme bei unseren Kunden zeigt recht eindeutig, dass praktisch alle den Fokus auf Personalentwicklung legen und die Daten häufig auch gar nicht den potenziellen Entscheidern vorliegen. Ich persönlich denke ebenfalls, dass dies ganz entscheidend für den Erfolg der Methode ist. Die Ergebnisse sind (je nach Persönlichkeitstypus des Feedbackempfängers) sowieso oft schon sehr selbstwertbedrohend. Eine Relevanz für zukünftige Karriereentscheidungen erhöht sowohl für den Feedbackempfänger als auch für die Feedbackgeber die Attraktivität, die Ergebnisse des 360° Feedbacks zu manipulieren.
Sollten die Daten des 360° Feedbacks dennoch für Personalentscheidungen berücksichtigt werden (allen Warnungen zum Trotz…), gibt es einige Rahmenbedingungen, die unbedingt berücksichtigt werden müssen. Dazu gehören mindestens Transparenz, feste Regeln, eine geeignete Unternehmenskultur, ein passender Fragebogen und ein optimierter Mechanismus zur Auswahl der Feedbackgeber.
Die Feedbackempfänger bei der Interpretation der Ergebnisse und dem Umgang damit unterstützen
DeNisi und Kluger formulieren es so: „Wir wissen von Fällen, in denen Organisationen den Feedbackempfängern persönliche Coaches zur Seite gestellt haben, die bei der Ergebnisinterpretation, dem Umgang mit Widersprüchen in den Daten und beim Formulieren eines Entwicklungsplans geholfen haben. Individuelle Coaches sind vielleicht der Schlüssel für den Umgang mit sich widersprechenden Ergebnissen. […] Der Coach kann den Unterschied zwischen einem gesunden Umgang mit den Ergebnissen und erlernt hilflosem Verhalten ausmachen.“ Dem ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen.
Die Datenmenge in den Ergebnisberichten minimieren
DeNisi und Kluger raten davon ab, dass die Ergebnisse des einzelnen Feedbackempfängers im Vergleich zu einer Referenzgruppe dargestellt werden. Sie vertreten die Auffassung, dass es völlig ausreicht, wenn Selbst- und Fremdbild einander gegenüber gestellt werden.
Tatsächlich teile ich diese Auffassung nicht zu hundert Prozent. Auf Itemebene sehe ich dies zwar genauso, allerdings würde ich die motivierende Wirkung des sozialen Vergleichs (siehe oben) nicht ignorieren. Außerdem stellen wir in unseren 360°-Projekten ein großes Bedürfnis der Feedbackempfänger fest, eine persönliche Standortbestimmung vorzunehmen. Wir empfehlen daher unseren Kunden meist einen Kompromiss. Da einem 360°-Fragebogen in der Regel Verhaltensdimensionen zugrunde liegen, kann auf dieser aggregierten Ebene eine Vergleich zu anderen angeboten werden.
Nicht alle Feedbackgeber alle Verhaltensbereiche bewerten lassen
Kunden oder Kollegen werden kaum eine sinnvolle Aussage dazu treffen können, wie eine Führungskraft mit den eigenen Mitarbeitern umgeht. Daher sollten nur die Feedbackgebergruppen zu Bereichen Stellung beziehen, in die sie einen ausreichenden Einblick haben. So steigt die Validität der Ergebnisse und unnötige Diskrepanzen ohne Aussagewert werden vermieden.
Verwendet ihr Unternehmen den selben Fragebogen (komplett) für alle Feedbackgeberperspektiven? Vielleicht sollten Sie dieses Vorgehen nochmal überdenken.
Ein formales Zielvereinbarungssystem integrieren
Nicht nur DeNisi und Kluger betonen die Bedeutung (schriftlich) vereinbarter Ziele. Damit ein 360° Feedback nicht verpufft, ist eine konkrete Aktionsplanung essentiell, da dürfte es kaum andere Meinungen geben.
Die vielleicht spannendere Frage ist jedoch die, wie diese Ziele kontrolliert werden. Dies ist für uns aktuell eines der wichtigsten Themen, da sich hier IT-Systeme sinnvoll zur Unterstützung einsetzen lassen. Ein modernes 360°-System darf eigentlich nicht ohne ein effizientes Follow-up – Management auskommen.
360° Feedback regelmäßig evaluieren
Die beiden Autoren schließen den Artikel mit der Empfehlung, dass Feedbackprozesse evaluiert werden sollten. Leider fehlt es HR-Abteilungen häufig an ausreichend Ressourcen, die eigenen Instrumente auf Wirksamkeit zu prüfen. Das dies nicht einfach nur schade sondern grob fahrlässig ist, liegt auf der Hand. Dabei ist es nicht unmöglich und auch nicht besonders aufwändig, einen geeigneten Evaluationsplan direkt im Rahmen der Implementierung eines 360° Feedbacks zu berücksichtigen. Ich fürchte allerdings, dass weder Auftraggeber noch Dienstleister ein gesteigertes Interesse an der Bewertung ihrer Maßnahmen haben…