Vision für die Zukunft der „World Café“-Methodik (mit iPad & Microsofts Surface 2)
Willkommen zu Teil 4 der Reihe „Coaching und Moderation: Ankunft im digitalen Zeitalter„. Heute widme ich mich, inspiriert durch eine interessante Veranstaltung an der Hochschule Fresenius in Köln, einer Moderationsmethode für große Gruppen – dem sogenannten World Café.
Bei diesem Format handelt es sich um eine Gruppenarbeit für ein Zeitfenster von ca. einem halben Tag. Ein World Café ist (behaupte ich jetzt mal) für Gruppen zwischen 20 und 80 Personen optimal geeignet, wenn das Ziel die Suche nach Input für ein bestimmtes Thema ist (z.B. Wie können wir im „War for Talents“ bestehen?) und möglichst unterschiedliche Teilnehmer (z.B. Linienmanager, Schüler, Studenten, Personaler, Lokalpolitiker etc.) involviert werden sollen. Nicht geeignet ist die Methoden, wenn Lösungen für ein konkretes Problem innerhalb kürzester Zeit benötigt werden. In diesem Fall eignet sich z.B. eher die Methode des Brainstormings.
Die Teilnehmer treffen sich in einem Raum, in dem kleine Tische für jeweils 4-8 Personen stehen. Durch eine Dekoration mit Blumen, Papier-Tischdecken und angenehmer Beleuchtung wird eine Atmosphäre geschaffen, die es den Teilnehmern ermöglichen soll, den Arbeitsalltag hinter sich zu lassen. Dem Setting liegt die Erfahrung zugrunde, dass die bedeutendsten Ideen oft dann kommen, wenn nicht intensiv nach ihnen gesucht wird – z.B. unter der Dusche oder eben in den Kaffepausen zwischen Workshops und Konferenzbeiträgen.
Die Teilnehmer diskutieren an ihren Tischen die Fragestellung(en) und „kritzeln“ ihre Ideen auf die Papiertischdecken. Während eine Person als „Gastgeber“ am Tisch sitzen bleibt, verteilen sich die anderen nach ca. 25 Minuten „querbeet“ auf neue Plätze. Dort verweist der verbliebene Gastgeber auf die Skizzen und lädt die Neuankömmlinge ein, ihrerseits zu erzählen, was in der vorherigen Runde besprochen wurde. Es kommt zu immer neuen Konstellationen und befruchtenden Gesprächen. Meist werden 3-4 Tischwechsel eingeplant.
Am Ende werden die vielen Ideen der unterschiedlichen Tische zusammengetragen und für das Plenum aufbereitet. Ich selbst habe bislang entweder mit Metaplan-Kärtchen gearbeitet oder eine „Vernissage“ veranstaltet:
- Metaplan-Auswertung: Die drei jeweils wichtigsten Ideen werden auf Metaplankarten geschrieben und auf einer Pinwand gesammelt.
- Vernissage mit Priorisierung: Alle Papiertischdecken mit den „gekritzelten“ Ideen werden in einer Art “Ergebnis-Galerie” ausgestellt und von den Teilnehmern mit Klebepunkten priorisiert.
Vorab: Das World Café ist eine hervorragende Methode, um die kollektive Kreativität einer großen Gruppe für ein bestimmtes Thema anzuzapfen. Die große Stärke liegt darüber hinaus im Austausch völlig unterschiedlicher Menschen, die sonst niemals miteinander ins Gespräch kommen würden. Letztlich steigt auf diese Weise auch die Bereitschaft der Teilnehmer, an der Umsetzung daraus entstehender Maßnahmen aktiv mitzuwirken, denn aus Betroffenen sind Beteiligte geworden. Dennoch, irgendwie kommt mir der Ablauf immer etwas altbacken vor. Wenn ich Innovativ sein soll, dann wünsche ich mir dafür doch ein ebensolches Umfeld. Der Kontext eines World Cafés löst bei mir aber Assoziationen wie „Häkelgruppe“ und „Kaffeekränzchen“ aus. Für ein modernes Unternehmen wünsche ich mir da etwas mehr Equipment mit Wow-Faktor. Ja: Technischer Schnickschnack!
Zunächst muss ich an eine großartige Technologie von Microsoft denken: Surface 2! Dabei handelt es sich um ein großes LCD-Display, welches als Tisch fungiert. Die erste Version war noch eine recht klobige Würfelform, mit integriertem Beamer, die bestenfalls das Zeug zum Couchtisch hatte. Surface 2 jedoch kann mich durchweg begeistern. Das Display reagiert auf Berührungen, kann Texte auf Papierblättern lesen und erkennt technische Geräte ebenso wie andere Gegenstände. Mit etwas Fantasie kann ich mir gut vorstellen, dass gemeinschaftlich an solchen Tischen diskutiert, recherchiert, produziert („gekritzelt“) wird und die Ergebnisse dann unmittelbar in digitaler Form vorliegen. Das ist die Zukunft!
Für die Gegenwart baue ich (noch) auf iPads als Plattform, denn sie sind recht günstig, verbreitet und mit der großen Anzahl an Apps sehr universell einsetzbar. Ich persönlich schätze das Prinzip der Papiertischdecken zum spontanen Fixieren von Gedanken sehr. Solange der Tisch selbst nicht „beschreibbar“ ist (s.o.), würde ich von diesem Vorgehen nicht abrücken wollen. Sehr wohl würde ich aber die beiden oben beschriebenen Varianten der Ergebnisaufbereitung um eine weitere erweitern. Ich verwende dafür die App ZigZag Board, ein Whiteboard für gemeinschaftliches Zeichnen.
- iPad-Auswertung: in der letzten Runde des World Café visualisiert jeder Tisch seine Kerngedanken auf einem iPad. Parallel entsteht so ein Gesamtkunstwerk, dessen Entstehungsprozess von allen Teilnehmern a) auf den kleinen Displays der iPads und b) als Projektion auf großer Leinwand verfolgt werden kann. Wenn Ideen/Gedanken bereits von anderen visualisiert wurden, werden diese erweitert oder bekräftigt. Man kann zum Beispiel zur Konvention machen, dass jeder Tisch eine andere Farbe benutzt.
Ich habe mich für die App „ZigZag Board“ entschieden, weil deren Nutzung kostenfrei ist (eine Anmeldung ist allerdings erforderlich) und mehrere Tablet PCs gemeinschaftlich an einem großen Whiteboard arbeiten können. Die Möglichkeit, dass Ergebnis im Entstehungsprozess im Browser betrachten zu können ist ein weiterer Vorteil. Entscheidend waren für mich jedoch die Performance und die Usability der App. Die Schreibfläche ist viel größer als bei anderen Whiteboard-Apps, von denen es recht viele gibt. Man kann mit den Fingern ohne Qualitätsverlust rein- und raus-zoomen. Dies liegt daran, dass die Zeichnungen als Vektorgrafiken realisiert werden. Sie können daher beliebig vergrößert oder verkleinert und zudem immer wieder verschoben und neu angeordnet werden. Das kann sonst keine andere App so gut. Probieren Sie es aus.
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Bildquelle: OpenAI. (2024). „World Café“-Methodik [Digital image created with DALL-E]. Retrieved from https://openai.com/